(Wie) Funktioniert die Funkloch-App?
(Wie) Funktioniert die Funkloch-App?
von Jens Tiemann
Berlin, 18.11.2019: Ein Jahr nach dem Erscheinen der Funkloch-App der Bundesnetzagentur sind nun erstmals Ergebnisse veröffentlicht worden. Wir haben unsere früheren Messungen mit der Funkloch-App in den Ergebnissen nachvollzogen und in der veröffentlichten Karte nach Funklöchern gesucht.
Mit der im Oktober 2018 erschienenen Funkloch-App wurde es für Mobilfunknutzer einfach möglich, den Zustand des von ihnen genutzten Mobilfunknetzes zu erfassen und diese Daten zu einer zentralen Auswertung zu übermitteln. Diese Methode zur Erfassung des Zustandes von Mobilfunknetzen durch die Mobilfunknutzer selbst hat Vor- und Nachteile: Einerseits können einfach bedienbar durch Crowdsourcing viele Daten gesammelt werden. Andererseits ist ein Smartphone kein Messgerät, die Aussagekraft der erfassten Daten muss also hinterfragt werden.
Erste Erfahrungen mit der Funkloch-App wurden im Beitrag „Funklochmelder oder: Wieviel wissen wir eigentlich über unsere digitale Infrastruktur?" geschildert. Insbesondere war zu erwarten, dass die Anzahl der gesammelten Daten nicht für eine flächendeckende Karte ausreicht und dass auch die Interpretation der Messergebnisse nicht ganz einfach wird. Nachdem nun von der Bundesnetzagentur erste Ergebnisse der Funkloch-App veröffentlicht wurden, verspricht eine nähere Betrachtung interessant zu werden. Um es vorweg zu nehmen: Mit der Veröffentlichung einer zweiten, sehr detaillierten Karte zur Funkloch-App im Rahmen des Gesamtvorhabens „Breitbandmessung" ist ein Werkzeug entstanden, dass neue Einsichten ermöglicht, auch wenn die Unterscheidung in zwei Karten für die Nutzer verwirrend sein kann, wie erste Reaktionen zeigen.
Im folgenden Beitrag soll zunächst nachvollzogen werden, wie Messungen mit der Funkloch-App in die Karte mit den Ergebnissen einfließen. Anschließend wird betrachtet, wie die Ergebnisse dargestellt werden und ob man damit die lokalen Verhältnisse in einem Mobilfunknetz bewerten kann. Abschließend wird ein Vorschlag entwickelt, wie die neue Karte der Netzabdeckung praktisch genutzt werden kann, um so etwas wie eine „Funkloch-Karte" darzustellen – denn das ist es ja, was man als Ergebnis erwartet, eine Übersicht über den Zustand der Mobilfunkinfrastruktur.
Funkloch-App erfasst Mobilfunknetze
Startet man „Funklöcher erfassen" in der Funkloch-App, so wird die Netzanzeige aus der Statuszeile des Smartphones (welche Art von Mobilfunknetz ist verfügbar?) entlang des Weges aufgezeichnet. Diese Statusanzeige stellt aber oftmals nur dar, welches Netz das Smartphone nutzen könnte. Gerade bei schlechterem Empfang kann es vorkommen, dass bei einer tatsächlichen Nutzung des Netzes (beispielsweise durch das Starten einer Anwendung wie Internet-Suche oder Straßenkarte) der Mobilfunkdienst doch nicht in ausreichender Qualität zur Verfügung steht. Wenn man sich allerdings über die Grenzen der Messmethode im Klaren ist, dann hat die Methode den Vorteil, dass auf einfache Weise quasi nebenbei eine große Anzahl von Messwerten zur Mobilfunkabdeckung erfasst werden können.
(jeweils die aktuelle Version der App https://breitbandmessung.de/mobil-testen )
Das Bild links zeigt eine typische, einzelne Messung mit der Funkloch-App, bei der an den verschiedenen Orten das beste verfügbare Netz angezeigt wird. Man erkennt einen Weg zwischen den Ortsteilen Kühlungsborn-Ost und Kühlungsborn-West, einmal an der Ostseeküste entlang mit Abschnitten schlechterer Mobilfunkversorgung (2G, blau), einmal durch den Wald mit besserer Mobilfunkversorgung (4G, lila).
Nachdem jetzt die ersten Ergebnisse veröffentlicht wurden, kann man auch eine Kartendarstellung in der App finden, wie im Screenshot auf der rechten Seite von Bild 1 zu sehen ist. Die Karte zeigt die Zusammenfassung von verschiedenen Messungen, wobei sich die Eindrücke der eigenen Messung durchaus wiederfinden lassen. Der Umgang mit der Karte in der App und insbesondere mit ihren Filtern ist etwas mühselig. Zur genaueren Analyse der Daten ist der Zugriff über das Web natürlich viel besser geeignet und wird deshalb auch für die folgenden Analysen verwendet.
(Quelle https://breitbandmessung.de/kartenansicht-funkloch)
Die erfassten Daten von den Nutzern der Funkloch-App werden zusammengefasst und auf der Karte in Wabenform dargestellt. Je nach Zoomstufe der Karte ändert sich die Größe der Waben und damit das Gebiet, für das die Ergebnisse zusammengefasst werden. Bild 2 zeigt die Messergebnisse auf der Karte für ein etwas größeres Gebiet des Ortes Kühlungsborn. Rechts auf der Weboberfläche finden sich verschiedene einfache Filter. Vorbedingung aller Analysen der Funklochkarte ist die Auswahl nur eines Netzbetreibers (Telekom, Telefonica oder Vodafone), denn das ist ja auch die derzeit übliche Nutzersicht auf das Mobilfunknetz. Entsprechend der Filter werden für jede Wabe (Hexagon) die vorliegenden Messergebnisse zusammengefasst. Im Bild ist leicht zu erkennen, dass nicht für jeden Ort Messungen vorliegen, sondern sich diese auf häufig genutzte Straßen und Wege konzentrieren.
Jede Wabe kann angeklickt werden, um genauere Informationen darüber zu erhalten, wie ihre Färbung und damit ihr zusammenfassendes Ergebnis zustande gekommen ist. Im Beispiel haben zwei verschiedene Nutzer („Installationen") insgesamt 14 Messpunkte erzeugt. Dabei hatte ein Nutzer im Wald 4G zur Verfügung, ein anderer Nutzer aber nur 3G. Da die oben beschriebene Wanderung aus dem ersten Bild aus irgendeinem Grund mehr Messpunkte erzeugt hat, wird für diese Zelle die überwiegende Verfügbarkeit von 4G als Gesamtergebnis der Netzabdeckung angezeigt. Der zweite Nutzer hat auf seinem Weg durch den Wald aus unbekannten Gründen nur das 3G-Netz zur Verfügung gehabt. Dieser Nutzer würde sich ggf. über die Aussage der Netzabdeckungskarte wundern, weil das Gesamtergebnis nicht der eigenen Erfahrung entspricht.
Bei der schlechten Mobilfunkabdeckung direkt an der Küste mit den hellblauen Waben (2G) zeigt eine genauere Analyse beispielsweise, dass dort vier unabhängige Messungen vorgenommen wurden. Dabei waren dort durchaus auch die besseren 3G- und 4G-Netze bei einzelnen Messungen verfügbar. In der Gesamtbetrachtung überwog allerdings das 2G-Netz und so werden folgerichtig Waben an der Küste auch mit dem schlechten 2G-Mobilfunk gekennzeichnet.
Zunächst lässt sich festhalten, dass die Erfassung und Verarbeitung der Messergebnisse nachvollziehbar und plausibel sind. Zudem bietet die Webseite „Breitbandmessung" gute Erklärungen in den Rubriken „Fragen und Antworten". Aufgrund der vielfältigen Einflussfaktoren ist trotzdem nicht einfach zu verstehen, wie die Ergebnisse zu interpretieren sind.
Breitbandmessung stellt Datenraten dar
Auf den Webseiten des Vorhabens „Breitbandmessung" findet sich noch eine zweite Karte, die schon vorher verfügbare Darstellung vor Ort verfügbarer Datenraten für Download und Upload. Diese Karte hat einen ganz anderen Hintergrund: Zur Erstellung dieser Karte wurden von Mobilfunknutzern mittels einer anderen Funktion der Funkloch-App tatsächlich (Mess-)Daten übertragen. Dementsprechend kann auf dieser Karte dargestellt werden, welche Mobilfunknetze vor Ort mit welcher Leistung genutzt werden können.
(Quelle https://breitbandmessung.de/kartenansicht )
Trotz der Bekanntheit der Funkloch-App aus der Presse wird gerade an dieser Karte der Datenraten die fehlende Flächendeckung besonders sichtbar. Bild 3 zeigt den aktuellen Stand im November 2019. Es sind nicht viele Daten im letzten halben Jahr dazu gekommen, wie ein Vergleich mit älteren Darstellungen zeigt (vgl. https://www.oeffentliche-it.de/funklochmelder, Bild 2). Das liegt an den hohen Anforderungen, die erfüllt sein müssen, um Ergebnisse in dieser Karte zu erzeugen. Aus Gründen der Anonymisierung müssen in einem Quadrat mindestens vier Werte aggregiert werden können. Damit werden höchstens in Ballungsräumen typische Datenraten für jeden einzelnen der drei Mobilfunkprovider darstellbar. Für die flächendeckende Darstellung als Breitband-Karte reicht die Anzahl der verfügbaren Daten bei weitem nicht aus. Die einzelne Messung muss explizit gestartet werden und verbraucht reales Datenvolumen aus dem Mobilfunkvertrag des Nutzers, somit kann die Messung nicht wie bei der Erfassung der Netzabdeckung nebenbei laufen.
Neben den unterschiedlichen Informationen in beiden Karten ist ein wesentlicher Unterschied die Auflösung bzw. die Detailtiefe. Die Quadrate sind in ihrer detailliertesten Auflösung ca. 2,2 km, die Waben dagegen nur ca. 100 m breit. Die „Wabenkarte" ist damit grob gerechnet um den Faktor 500 detaillierter als die „Quadratekarte" (ungefähr Faktor 20 in einer Dimension, entsprechend passen hunderte Waben in ein Quadrat). Anders ausgedrückt: Bild 2 und Bild 3 zeigen jeweils die höchste Auflösung der Messergebnisse, beim weiteren reinzoomen in die Quadratekarte bekommt man eine höhere Ortsauflösung, aber keine detaillierteren Messergebnisse.
Wo sind die Funklöcher?
Die Wabenkarte stellt also in detaillierter Form neue Informationen bereit, die es auszuwerten gilt. Allerdings ist auch sie nur aussagekräftig, wenn genug Nutzer Messungen mit der Funkloch-App gemacht haben. In der Fläche ist das bspw. auf den Hauptverkehrswegen der Fall. Das passt zu dem nachvollziehbaren Ziel, dass zumindest die Hauptverkehrswege gut mit Mobilfunk versorgt sein sollten, wie bspw. Autobahnen und ICE-Strecken, aber auch wichtige regionale Verbindungsstraßen sollten dazu gezählt werden. Um unterwegs eine aktuelle Straßenkarte mit aktuellen Verkehrsinformationen zu laden oder Geschäfte zu suchen, ist die Versorgung mit einem 3G- oder 4G-Netz notwendig.
Wer nach Funklöchern sucht, muss zuerst festhalten, was überhaupt ein Funkloch sein soll. Funklöcher sind zunächst ein lokales Phänomen, wenn beispielsweise an einem Ort das Smartphone nicht auf das Internet zugreifen kann. Mobilfunk als Infrastruktur ist aber weit mehr als nur eine lokale Funkabdeckung. Entlang einer Straße kann es bei schwierigen Geländeverhältnissen durchaus zu einem Verbindungsabbruch kommen, dessen Auswirkungen aber für den mobilen Internetzugang minimal sind, wenn das Mobilfunknetz an anderer Stelle sofort wieder verfügbar ist. Entscheidend ist also der regionale Ausbau der Mobilfunkinfrastrukturen, demnach stellt ein regional schwaches Mobilfunknetz auch ein Funkloch im weiteren Sinne dar.
(Quelle https://breitbandmessung.de/kartenansicht-funkloch)
Bild 4 zeigt Hauptverkehrswege im Bereich des Autobahndreiecks Wittstock/Dosse zwischen Berlin, Hamburg und Rostock. Die Analyse zeigt, dass knapp 100 unterschiedliche Telefonica-Nutzer mit der Funkloch-App als Datenspender auf der Autobahn Richtung Berlin unterwegs gewesen sind (diese teilen sich sogar hälftig in Richtung Hamburg und Richtung Rostock auf). Ansatzweise ist im Bild zu erkennen, dass die Autobahn im Netz von Telefonica in Richtung Hamburg und in Richtung Berlin mit 4G abgedeckt ist, in Richtung Norden allerdings nur mit 2G. Die Abdeckung im Bereich von Wittstock/Dosse erfolgt außerdem auch mit 3G.
Bei hoher Auflösung kann man auf der Karte erkennen, wo „kein Empfang" gemeldet wurde. Dieses Ergebnis wird aber oftmals nur von einzelnen Nutzern gestützt. Wenn keine Messergebnisse für benachbarte Wege und Orte oder von unterschiedlichen Nutzern vorliegen, lässt sich nur schwer etwas über den lokalen Zustand des Mobilfunknetzes aussagen. Die Funkloch-App kann hier ein Werkzeug sein, um weitere Messungen anzustellen und verschiedene Sichten auf das Mobilfunknetz vor Ort zu sammeln und zu dokumentieren.
Will man sich nun regional den Zustand des Mobilfunknetzes auf der Karte anzeigen lassen, so ist die Übersicht gar nicht so einfach. Man kann schauen, welche Flächen mit 4G abgedeckt sind (lila). Da das in seiner Bedeutung abnehmende 3G noch vorhanden ist, muss man diese Flächen noch hinzuzählen. Etwas einfacher ist zu erkennen, wo die 4G-Abdeckungen durch Abschnitte von 2G unterbrochen sind, bspw. auf Autobahnen oder Bahnlinien. Eine Darstellung der Netzabdeckung mit „kein Empfang" ist mittels Filter möglich, zeigt aber wie beschrieben nur im lokalen Bereich sinnvolle Ergebnisse, da die einzelnen Messungen in der Zusammenfassung ganze Gegenden umfassen, für die keine weiteren Daten vorliegen.
Bleibt die Darstellung der 2G-Abdeckung, zu der man folgende Überlegung anstellen kann: Normalerweise würde das Smartphone die besseren 3G- oder 4G-Netze bevorzugen, bei schlechter Verfügbarkeit dieser Netze fällt das Smartphone in das in Deutschland praktisch flächendeckende 2G-Netz zurück. Die Erfassung des 2G-Netzes durch die Funkloch-App kann also als Indiz dafür gewertet werden, dass kein besseres Netz verfügbar ist.
(Quelle https://breitbandmessung.de/kartenansicht-funkloch)
Das Bild zeigt den Anteil der 2G-Nutzung, dunklere Waben stehen für einen höheren Wert und damit als Indiz für eine Region mit schlechterer Mobilfunkinfrastruktur. Für die obige Abbildung wurde bewusst das Mobilfunknetz der Telekom aufgrund seiner besseren Abdeckung ausgewählt. Und um die laufenden Anstrengungen zum Ausbau der Mobilfunknetze zu reflektieren, wurde ein kurzer Zeitraum über die letzten drei Monate gewählt.
Auf der Karte sind die großen Ballungsräume und das Autobahnnetz gut zu erkennen, dort ist also eine leistungsfähige Mobilfunkversorgung gut ausgebaut, so dass an diesen Orten nur selten auf die schwächere 2G-Infrastruktur ausgewichen werden muss. Allerdings sind auch bei dem gut ausgebauten Netz der Telekom Abschnitte auf Autobahnen zu erkennen, auf denen häufiger als an anderen Stellen auf 2G zurückgegriffen wird.
Durch die fehlende Flächendeckung der Messergebnisse ist so ein deutschlandweiter Überblick wie im Bild nicht sinnvoll nutzbar, weshalb sie hier lediglich zur Illustration des Vorgehens gewählt wurde. Auf einer mittleren Zoomstufe taugt diese Darstellung durchaus, um einen regionalen Überblick zu gewinnen, in welchen Gebieten die jeweilige Mobilfunkinfrastruktur eines der drei Netzbetreiber schwächer ausgebaut ist. Diese Darstellung von Gegenden mit schwächerer Infrastruktur kann man als „Funkloch-Karte" bezeichnen.
Funkloch-App nutzen und mitmachen
Die Messungen der Funkloch-App sind über eine wunderbar detaillierte Netzabdeckungskarte verfügbar gemacht worden, die naturgemäß nicht einfach zu interpretieren ist. Die Karte erlaubt neben der lokalen Analyse der Mobilfunk-Verhältnisse auch das gezielte "Nachmessen", also die Ergänzung um bisher nicht erfasste Orte, aber auch die Einbeziehung weiterer aktiver Mitstreiter, um mehr Sichtweisen auf die Mobilfunkinfrastruktur vor Ort zu dokumentieren. Die Karte wird wöchentlich aktualisiert, was ein ausreichender Ansporn für weitere Beteiligung sein sollte, auch um bisherige Ergebnisse auf der Karte in die eine oder andere Richtung zu kippen. Die derzeitigen Aktivitäten der Mobilfunkprovider zur Verbesserung ihrer Netze werden sich in aktuellen Messungen und damit bald in der Karte zeigen.
Die Messungen von Nutzern mit der Funkloch-App schaffen eine weitere und vor allem transparent nachvollziehbare Datengrundlage, neben den professionellen Messungen von Funksignalen und der Abschätzung der Mobilfunkabdeckung mittels Geländemodellen (worauf bspw. die Karten der Mobilfunkprovider beruhen). Zum besseren Verständnis des Zustands unserer Netzinfrastrukturen sollte allerdings trotzdem auch daran gearbeitet werden, noch weitere Datenquellen zu erschließen. Beispielsweise könnten Netzbetreiber und Diensteanbieter Statistiken liefern, welche Infrastrukturen ihre Kunden nutzen und welche Qualität sie dabei erleben (siehe auch Beitrag „Funklochmelder oder: Wieviel wissen wir eigentlich über unsere digitale Infrastruktur?").
Obwohl von einer flächendeckenden Darstellung noch weit entfernt, kann man auf der Wabenkarte der Funkloch-App durchaus sowohl lokale Funklöcher als auch dringend anstehende regionale Infrastruktur-Aufgaben erkennen: beispielsweise lässt sich derzeit noch nicht einmal auf allen Autobahnen das Internet problemlos mobil nutzen.
Veröffentlicht: 18.11.2019