Asset-Herausgeber

Autonomes Fahren

  Bibliographische Angaben

Autonomes Fahren

Autorinnen / Autoren:
Christian Welzel
Zuletzt bearbeitet:
Jun 2016
Titel:
Autonomes Fahren
Trendthema Nummer:
25
Herausgeber:
Kompetenzzentrum Öffentliche IT
Titel der Gesamtausgabe
ÖFIT-Trendschau: Öffentliche Informationstechnologie in der digitalisierten Gesellschaft
Erscheinungsort:
Berlin
Autorinnen und Autoren der Gesamtausgabe:
Mike Weber, Stephan Gauch, Faruch Amini, Tristan Kaiser, Jens Tiemann, Carsten Schmoll, Lutz Henckel, Gabriele Goldacker, Petra Hoepner, Nadja Menz, Maximilian Schmidt, Michael Stemmer, Florian Weigand, Christian Welzel, Jonas Pattberg, Nicole Opiela, Florian Friederici, Jan Gottschick, Jan Dennis Gumz, Fabian Manzke, Rudolf Roth, Dorian Grosch, Maximilian Gahntz, Hannes Wünsche, Simon Sebastian Hunt, Fabian Kirstein, Dunja Nofal, Basanta Thapa, Hüseyin Ugur Sagkal, Dorian Wachsmann, Michael Rothe, Oliver Schmidt, Jens Fromm
URL:
https://www.oeffentliche-it.de/-/autonomes-fahren
ISBN:
978-3-9816025-2-4
Lizenz:
Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (CC BY 3.0 DE) http://creativecommons.org/licenses/by/3.0 de/legalcode. Bedingung für die Nutzung des Werkes ist die Angabe der Namen der Autoren und Herausgeber.

Unzählige Assistenten unterstützen uns schon heute beim Autofahren und machen aus den Fahrzeugen rollende Rechenzentren. Die Assistenzsysteme bilden dabei nur eine Vorstufe auf dem Weg zum vollautonomen Fahren. Kleine, leistungsfähige und kostengünstige Minicomputer, Fortschritte in der Sensorik und Bewegtbildanalyse sowie der massive Ausbau mobiler Datennetze beflügeln die Entwicklung. Jenseits der technischen Aspekte bestimmen allerdings auch Haftungsfragen, gesellschaftliche Akzeptanz, geeignete Sharing-Modelle und – möglicherweise entgangener – Fahrspaß den Weg vom Fahrer zum Passagier im Auto.

70 Jahre Forschung und technische Entwicklung

Endlich! Ein Automobil, das seinem Namen Rechnung trägt: Es beschleunigt automatisch und hält das Tempo. Mit konstanter Geschwindigkeit fährt man nicht nur entspannter, ein gleichmäßiger Fahrstil erhöht die Sicherheit für alle. So der Stand im Jahr 1945, als mit der Entwicklung des ersten automatischen Geschwindigkeitsreglers der Grundstein für das autonome Fahren gelegt wurde. Knapp 70 Jahre danach ist die Entwicklung weit voran geschritten. In aktuellen Neuwagen erfassen bis zu 100 Sensoren unaufhörlich Daten zur Unterstützung des Fahrenden etwa beim Bremsen, beim Abstand halten, dem Einparken oder bei schlechten Sicht- und Witterungsbedingungen. Das assistierte Fahren bildet die Vorstufe auf dem Weg über teil- und hochautonomes Fahren, bei denen eine Überwachung der Technik notwendig bleibt, bis hin zum vollautonomen Fahren, bei dem das Fahrzeug keinerlei menschliche Intervention mehr benötigt (siehe Drohne). Aktuelle Assistenzsysteme erreichen bereits heute Freiheitsgrade, die sich als teilautonom auffassen lassen. Die Einschätzungen, wann Lösungen marktreif sind, die den Fahrer zum Passagier werden lassen, schwanken zwischen 10 und 25 Jahren. Unstrittig ist jedoch, dass die Entwicklung kleiner, leistungsfähiger und kostengünstiger Minicomputer sowie der massive Ausbau mobiler Datennetze (siehe Digitale Mobilität) den Trend beflügelt haben.

Auf der technischen Seite benötigen autonome Fahrzeuge drei Komponenten: Umgebungssensoren, Steuerungssoftware und Aktoren zur Beeinflussung des Fahrzeugs. Bedarf für Forschung und Entwicklung besteht vor allem bei den Sensoren und der Steuerungssoftware. Die zahlreichen bereits heute verbauten Sensoren müssen für autonomes Fahren weiterentwickelt werden. So sind beispielsweise zuverlässige, differenzielle Lokalisierungssysteme mit hoher Auflösung notwendig, die eine Positionsbestimmung mit einer Genauigkeit von etwa zehn Zentimetern erlauben (siehe Indoor-Navigation). Damit einhergehend wird großflächig präziseres und aktuelleres Kartenmaterial benötigt, als derzeit verfügbar ist. Dieser Bereich bietet Potential für die öffentliche Hand mit ihren detaillierten Kartenbeständen und Katastern. Bei der Steuerungssoftware besteht Bedarf in der Verbesserung der verwendeten Algorithmen. Derzeit können selbstfahrende Autos zwar ihre Umgebung wahrnehmen, jede nur denkbare Situation im Straßenverkehr muss aber einzeln im Vorfeld modelliert oder durch Testsysteme erlernt werden (siehe Denkende Maschinen).

Begriffliche Verortung

Netzwerkartige Verortung des Themenfeldes
Gesellschaftliche und wissenschaftliche Verortung

Wie viel Autonomie darf eine Maschine haben?

Zusätzlich zu den verbauten Komponenten sind Fahrzeuge immer stärker vernetzt und erfordern eine schnelle mobile Datenverbindung. Je nachdem wie intensiv die Fahrzeuge kommunizieren, ob sie über zentrale Leitstellen verbunden oder untereinander vernetzt sind, fallen verschieden große Datenmengen an (siehe Sichere Fahrzeugkommunikation). Diese Infrastrukturaspekte einerseits sowie eine möglicherweise zunächst nur gering ausgeprägte gesellschaftliche Akzeptanz andererseits können dazu führen, dass die technologische Entwicklung autonomer Fahrzeuge eher evolutionär vonstattengeht, auch wenn sie bereits aktiv von Automobilkonzernen und branchenfernen IT-Großunternehmen getrieben wird.

Mit dem Autonomiegrad der Fahrzeuge steigt die Relevanz rechtlicher, psychologischer und moralischer Fragen. So nimmt nach derzeitiger Rechtsauffassung mit der Autonomie die Bedeutung der Herstellerhaftung zu, da Fahrerinnen und Fahrer nicht mehr für unerwünschte Folgen des Fahrzeugverhaltens verantwortlich gemacht werden können. Bei geringen Autonomiegraden ergibt sich die Einschränkung, dass Menschen nur für sehr kurze Zeit in der Lage sind, automatisierte Prozesse aufmerksam zu beobachten. Muss in das noch nicht vollautonome System eingegriffen werden, stellt Übergabe der Kontrolle die menschliche Auffassungsgabe (Erkennen des Kontextes und relevanter Informationen mit schneller Entscheidung in möglicherweise schwieriger Verkehrslage) vor große Probleme. Zuschreibungskonflikte zwischen der Verantwortung von Hersteller und Fahrer werden so wahrscheinlich.

Viele Fragen sind noch offen

Bei höheren Autonomiegraden stellen sich grundsätzliche Fragen hinsichtlich der Ziele von Algorithmen: Wie soll sich ein Fahrzeug verhalten, wenn ein Unfall nicht mehr vermeidbar ist? Soll es vorrangig die Insassen schützen oder eher andere Beteiligte? Wie viel Spielraum erhält das System bei der Interpretation der Verkehrsregeln? Wem soll Zugriff auf welche Daten ermöglicht werden? Muss sich ein Fahrer durch die Freigabe von Fahrzeugdaten selbst belasten? Aspekte der IT-Sicherheit und der Zuverlässigkeit der Software werden unmittelbar zu Fragen der Fahrsicherheit (siehe Security by Design). Für die Software bedarf es daher überprüfbarer Mindeststandards und der Möglichkeit einer Sicherheitszertifizierung. Ferner gilt es, haftungs- und datenschutzrechtliche Aspekte neu zu regeln. Dass solche Anpassungen durchaus zu Innovationstreibern werden können, zeigt das ab April 2018 für Neuwagen vorgeschriebene Notrufsystem eCall.

Einmal durchgesetzt können mit der neuen Mobilität beträchtliche Vorteile verbunden sein. Autonomes Fahren verbindet nicht nur die Komfortvorteile von Individual- und öffentlichem Verkehr, es birgt auch Effizienzpotenziale. In Verbindung mit Sharing- Modellen können bessere Fahrzeugauslastung, umweltfreundliche Fahrweise und hohe Verkehrssicherheit zu beträchtlichen Vorteilen für Individuum und Gesellschaft führen. Ob dadurch allerdings entgangener Fahrspaß absehbar aufgewogen wird, darf bezweifelt werden.

Themenkonjunkturen

Suchanfragen und Zugriffe auf Wikipedia-Artikel
Wissenschaftliche Publikationen und Patentanmeldungen

Folgenabschätzung

Möglichkeiten

  • Komfortgewinne durch Kombination individueller Flexibilität mit chauffiertem Fahren
  • Erhöhte Verkehrssicherheit
  • Entlastung von Verkehr und Umwelt durch neue Sharing-Modelle
  • Stauvermeidung und intelligente Verkehrssteuerung
  • Zugang zum Autofahren und Teilhabe für zuvor fahruntüchtige Menschen

Wagnisse

  • Schutz der umfänglichen Sensor- und Bewegungsdaten
  • Datenverarbeitung durch Hersteller, Leitstellen und Systemanbieter
  • Zunehmende Komplexität und steigende Attraktivität der Fahrzeug-IT für Angriffe
  • Lock-in-Effekte bei nicht vollständig standardisierten IT-Lösungen
  • Wachsende Technologieabhängigkeit
  • Klärung von rechtlichen und moralischen Fragen

Handlungsräume

Rechtsrahmen

Im aktuellen Rechtsrahmen ist hoch- und vollautonomes Fahren nicht möglich. Notwendige Anpassungen müssen sowohl verkehrsrechtliche Aspekte (insbesondere das bereits 2014 aktualisierte Wiener Übereinkommen und §18 des Straßenverkehrsgesetzes) als auch Datenschutzfragen in den Blick nehmen.

Mindeststandards und Standardisierung

Die benötigten IT-Systeme sind im hohen Maße schutzbedürftig, was die Vorgabe überprüfbarer Mindeststandards erforderlich macht. Weitergehende Anforderungen etwa hinsichtlich der Interoperabilität der Systeme erfordern eine aktive Rolle in der Standardisierung.

 

Kartenmaterial bereitstellen

Für autonomes Fahren werden detaillierte und aktuelle Kartendaten einschließlich aktueller Informationen wie Straßensperrungen oder Baustellen benötigt. Die öffentliche Hand kann diese Informationen bereitstellen, was nicht zwingend kostenfrei erfolgen muss.