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Bessere Daten = bessere Städte? Wie digitale Instrumente zum Monitoring von Nachhaltigkeitszielen beitragen können

Bessere Daten = bessere Städte? Wie digitale Instrumente zum Monitoring von Nachhaltigkeitszielen beitragen können

Gastbeitrag von und .

Prof. Dr. Florian Koch ist Professor für Immobilienwirtschaft, Smart Cities und Stadtentwicklung an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW Berlin). Er studierte Raumplanung an den Universitäten in Dortmund und Rom und promovierte in Sozialwissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin.

Sarah Beyer ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin. Nach ihrem Studium der Biologie an der Philipps-Universität Marburg schloss Sie einen Master in »Integrated Natural Resource Management« an der Humboldt-Universität Berlin ab. Aktuell promoviert Sie an der Universität Münster in Humangeographie und befasst sich dabei mit der Implementierung der Agenda 2030 und ihren 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung (SDGs) in Großstädten.

Ein Überblick über alle Beiträge dieser Reihe befindet sich hier: Blogreihe Nachhaltigkeit

Kommunen stehen vor der Herausforderung, die sogenannte »Zwillingstransformation« von Nachhaltigkeit und Digitalisierung zu bewältigen. Diese beiden Transformationen sollten zusammengedacht werden, da sowohl Synergiepotenziale als auch kritische Zusammenhänge zwischen Nachhaltigkeit und Digitalisierung existieren. So stellt sich für Kommunen beispielsweise konkret die Frage, wie durch Smart-City-Ansätze und Verwaltungsdigitalisierung ein Beitrag zum kommunalen Nachhaltigkeitsmanagement geleistet werden kann, aber auch welche negativen Effekte durch Digitalisierung z.B. in Bezug auf Energie- und Ressourcenverbräuche oder den sozialen Zusammenhalt auftreten können.

Eine Umfrage aus dem Jahr 2023 zeigt auf, dass Digitalisierungsprozesse im kommunalen Nachhaltigkeitsmanagement nur in geringem Maße verbreitet sind. Anwendungen, die über die digitale Informationsbereitstellung hinaus gehen, wie z.B. Digitale Zwillinge oder Dashboards zur Darstellung von Nachhaltigkeitsentwicklungen, werden in den Kommunen kaum genutzt. Gleichzeitig sehen viele Kommunen aber auch den Nutzen, den Instrumente wie digitale Plattformen für das Nachhaltigkeitsmanagement haben können. Im Folgenden wird der Fokus auf das Thema Daten und Evaluierung gelegt und aufgezeigt, wie Digitalisierung das Monitoring von Nachhaltigkeitszielen verändern kann. Dabei wird ein konkreter Anwendungsfall, die Open-Source-Anwendung OpenSDG, beispielhaft beschrieben.

Ausgangspunkt für aktuelle kommunale Nachhaltigkeitsdebatten sind die 2015 von den Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen in der Agenda 2030 verabschiedeten 17 Sustainable Development Goals (SDGs). Der Stand der Umsetzung der SDGs soll durch datengestützte Indikatorensysteme gemessen werden, die für die 17 SDGs und die 169 Unterziele Zielvorgaben und Kenngrößen angeben. SDG-Indikatorensysteme existieren nicht nur auf globaler und nationaler Ebene, sondern sind auch auf kommunaler Ebene von Bedeutung.

Digitale Instrumente bieten viele Anwendungsmöglichkeiten für das kommunale SDG-Monitoring. Dabei wird prinzipiell unterschieden zwischen (1.) der Indikatoren-Auswahl und Datenerhebung, sowie (2.) der Vermittlung und Visualisierung.

1. Auswahl an Indikatoren und Datenerhebung

Die 17 SDGs und die damit verbundenen Unterziele stellen einen globalen Rahmen für die nachhaltige Entwicklung dar. Für Kommunen sind diese generellen Ziele nicht in jedem Fall passend und sinnvoll, weshalb Kommunen eigene, lokal angepasste Ziele und Maßnahmen definieren und entsprechende Nachhaltigkeitsstrategien erstellen. Um den Umsetzungsstand der stadtspezifischen Nachhaltigkeitsziele zu überprüfen, sind daher auch eine lokal angepasste Indikatorik und entsprechende Daten oder Erhebungen notwendig.

Es existieren in Deutschland bereits SDG-Indikatorensets und Datenbanken, in denen Daten der statistischen Ämter zu finden sind. Diese können die Kommunen als Datengrundlage für verschiedene generelle SDG-Indikatoren wie z.B. die Breitbandversorgung oder den Anteil erneuerbarer Energien nutzen. Für das Monitoring von stadtspezifischen Entwicklungen kann es allerdings hilfreich sein, diese Daten durch nicht-amtliche Daten zu ergänzen. Das sind beispielsweise solche, die von den Ämtern eben nicht standardmäßig erhoben werden, jedoch für die Kommune, ihre Bürger:innen, bestimmte Bevölkerungsgruppen oder bestimmte Akteure von besonderer Relevanz sein könnten.

Beispiele hierfür sind Daten zur Verkehrssituation, die durch Crowdsensing-Praktiken wie der Telraam-Technik erhoben werden. Auch Social-Media-Daten zur Nutzung öffentlicher Räume oder zur Hitzebelastung, sowie Daten, die von zivilgesellschaftlichen Vereinigungen oder Unternehmen zum Umsatz von Fair-Trade-Produkten bereitgestellt werden, gehören dazu. Auch die Auswertung von (Luft-)Bildern durch KI-Instrumente wird in diesem Zusammenhang diskutiert. Die Nutzung neuer Datenquellen hat verschiedene Vorteile:

  • Einbeziehung von Bürger:innen und verschiedener kommunaler Akteure
  • Gewinnung neuer Erkenntnisse, die in den öffentlichen Daten der Statistikämter in dieser Form nicht ablesbar sind
  • Stadtspezifisches Monitoring von lokalen Nachhaltigkeitsmaßnahmen
  • Nutzung von aktuellen Daten

Bei der Verwendung neuer Datenquellen für das Nachhaltigkeitsmonitoring sind allerdings einige Aspekte zu beachten: So ist die Qualität der Daten nicht in jedem Fall in ausreichendem Maß gegeben oder es existieren keine Kontrollmechanismen z.B. zur Reliabilität von Citizen-Sensing-Projekten. Auch ist zu berücksichtigen, dass Erhebungszeiträume und Verfügbarkeiten von verwaltungs-externen Daten nur bedingt durch kommunale Akteure geplant werden können und daher nicht sicher ist, inwieweit die Daten kontinuierlich zur Verfügung stehen.

Zuletzt gilt es zu beachten, dass unabhängig von der Datenquelle weder Daten noch Indikatoren noch Monitoringsysteme objektive Messinstrumente sind. Ihre Auswahl ist nicht neutral. Vielmehr spiegelt sie immer eine bestimmte Auslegung des Verständnisses von Nachhaltigkeit wider, beziehungsweise eine Auswahl an Daten und Indikatoren, die von bestimmten Akteuren als nachhaltigkeitsrelevant betrachtet wird. Machtverhältnisse und unterschiedliche Interessen bleiben hierbei häufig unsichtbar.

2. Vermittlung und Visualisierung

Ergebnis der SDG-Messung können von den Kommunen erstellte Nachhaltigkeitsberichte oder auch sogenannte Voluntary Local Reviews, die den Stand der Umsetzung der SDGs darstellen, sein. Zunehmend gewinnen aber auch online-basierte Monitoringsysteme bzw. Berichtsplattformen und Dashboards, bei denen die entsprechenden Datenquellen kontinuierlich aktualisiert werden können, an Bedeutung. So sollen auf Grundlage solcher Zusammenstellungen möglichst aktuelle, informierte Entscheidungen getroffen werden.

Eine onlinebasierte digitale Darstellung des SDG Monitorings hat verschiedene Vorteile:

  • Durch die Erstellung eines Monitoringsystems wird für die Bürger:innen und unterschiedliche Akteure deutlich, ob und wie genau eine Kommune für nachhaltige Entwicklung einsteht.
  • Gleichzeitig lassen sich Erfolge, Rückschläge und künftige Herausforderungen in Bezug auf die Zielerreichung klar und aktuell darstellen und kommunizieren.
  • Eine digitale Berichtsplattform erleichtert es, Daten zu den SDG-Indikatoren zu sammeln, zu verbreiten und zu verfolgen, sowie Datenlücken zu identifizieren und bestenfalls zu schließen.
  • Die Kompetenz im Umgang mit Nachhaltigkeitsindikatoren und deren Messung kann geschärft werden und die jeweiligen lokalen Besonderheiten können klar identifiziert werden.
  • Eine langfristig nutzbare Möglichkeit des Nachhaltigkeitsmonitorings kann aufgebaut werden.

Auch hier sind allerdings einige Aspekte zu beachten: So stellt sich die Frage, welche Plattform für die Darstellung des SDGs-Monitorings von den Kommunen gewählt wird. Neben kommerziellen Anbietern wie z.B. Climate View haben sich in den letzten Jahren auch zunehmend Open-Source-Plattformen wie die Plattform Open SDG durchgesetzt, die von Städten wie Barcelona, Liverpool und Los Angeles aber auch von Deutschland, Kanada, Großbritannien, der USA und der Türkei für die SDG-Berichterstattung genutzt werden. In Deutschland wurden im Berliner Bezirk Treptow-Köpenick, in Ingolstadt, dem Enzkreis und dem Kreis Nordfriesland im Rahmen von geförderten Projekten der Servicestelle „Kommunen in der einen Welt" entsprechende Monitoringsysteme aufgebaut.

Open SDG ist eine quelloffene, frei wiederverwendbare (Open Source) Plattform, die spezifisch für die Verwaltung und Veröffentlichung von Daten und Statistiken im Zusammenhang mit den SDGs veröffentlicht wurde und über kostenlose Dienste gehostet und gewartet wird. Dies hat für Kommunen den Vorteil, dass der langfristige Betrieb intern erfolgen und Aspekte wie eine kommunale Datensouveränität und Unabhängigkeit von externen Auftragnehmern realisiert werden kann. Die Plattformen bieten u.a. die Möglichkeit, stadtspezifische Anpassungen vorzunehmen und verschiedene Formen der Datenvisualisierungen aufzuzeigen. Damit die onlinebasierten Monitoringsysteme dauerhaft erfolgreich sind, ist es von Seite der Kommune notwendig, die entsprechenden Daten kontinuierlich in das System einzupflegen.

Ausblick

Digitale Tools bieten durchaus ein großes Potenzial für das Nachhaltigkeitsmonitoring. Bei der Umsetzung sind – wie oben aufgezeigt - allerdings einige Besonderheiten in Bezug auf die Organisation und die kommunalen Strukturen zu beachten. Gleichzeitig gilt es nicht zu vergessen, dass Monitoringsysteme keine automatischen Änderungen bewirken. Sie können bestimmte Entwicklungen sichtbar machen, liefern jedoch keine Lösungen. Zwar führen bessere Daten nicht automatisch zu besseren Städten, und Nachhaltigkeit hängt nicht nur vom Stand der Digitalisierung ab – aber durch digitale Instrumente kann der herausfordernde Weg zu einer nachhaltigeren kommunalen Zukunft unterstützt werden.

Weiterführendes von ÖFIT:

Trendtema: Digitale Zwillinge

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Veröffentlicht: 17.07.2024