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Civic Tech und Open Data – wie passt das zusammen?

Civic Tech und Open Data – wie passt das zusammen?

Gastbeitrag von

Betül Özdemir ist seit Januar 2023 die zentrale Verantwortliche für Open Data im Land Berlin und Fachreferentin für das Thema Open Data in der Senatsverwaltung für Inneres, Digitalisierung und Sport.

Editors Note: Diese Civic Tech-Blogreihe ist primär als Plattform für verschiedene Meinungen und Erkenntnisse aus der Civic Tech-Branche konzipiert. Ziel ist es, durch die Beleuchtung verschiedener Beispiele und Erfahrungen ein tieferes Verständnis von Civic Tech herzustellen und hierdurch zur erfolgreichen Kooperation mit der öffentlichen Hand beizutragen.

Ein Überblick über alle Beiträge dieser Reihe befindet sich hier: Blogreihe Civic Tech

Für die Open Data Initiative im Land Berlin ist Civic Tech eine innovative Form des digitalen bürgerschaftlichen Engagements, um in Berlin mehr Demokratie und Offenheit in Politik und Verwaltung zu schaffen. Immer mehr Bürger:innen engagieren sich ehrenamtlich für Civic Tech Projekte in Themenfeldern, die originär staatlichen Stellen zugerechnet werden.

Wie stark das Engagement ausgeprägt ist, zeigen uns die vielen Projekte in Berlin, die aus offenen Verwaltungsdaten auf dem Open Data Portal wie den Finanzdaten, Umweltdaten, Daten zu Bildungseinrichtungen und statistischen Daten entstanden sind. Die Civic Tech Projekte reichen von Baumkatastern mit Standort und Attributen wie Pflanzenjahr und Baumart bis hin zu Plattformen wie Gieß-den-Kiez, die mit zivilen Baumpatenschaften Bäume in heißen Sommern vor dem Verdursten retten können.

Die verschiedenen Projekte bestätigen, dass viele Bürger:innen und zivilgesellschaftliche Akteur:innen sich aktiv an einer Verbesserung der Stadtgesellschaft beteiligen möchten. Dabei ist Open Data für die gemeinwohlorientierte Nutzung von Daten eine wichtige Basis, damit Civic Tech-Anwendungen und Projekte überhaupt entstehen können. Der gute Effekt von Civic Tech ist, dass der Staat von den Civic Tech-Projekten lernen und diese in die Verwaltungspraxis überführen kann.

Civic Tech als Ideengeber für die Verwaltung: Das Beispiel »Offener Haushalt«

Die Civic Tech-Anwendung »Offener Haushalt« war ein Visualisierungswerkzeug, das aus den offenen maschinenlesbaren Finanzdaten auf dem Open Data-Portal entstanden ist. Sie wurde von zivilgesellschaftlichen Initiativen entwickelt, um den Bürger:innen die Haushaltsdaten von Berlin, die bisher von der Senatsverwaltung für Finanzen in Excel-Listen veröffentlicht wurden, in einer Visualisierung besser darzustellen. Die Darstellung zielte auf Transparenz und auf Information der Öffentlichkeit ab. Auch wenn die Länder und Kommunen ihre Haushaltsdaten generell als öffentliche Dokumente herausgeben, können Bürger:innen diese nur selten verstehen und auswerten, da sie unter anderem eine Vielzahl von Fachbegriffen verwenden und Wissen über die Haushaltssystematik und das Haushaltsrecht voraussetzen. Die Anwendung »Offener Haushalt« schaffte es, die Entscheidungen der Politik nachvollziehbar und das Verwaltungshandeln für die Bürger:innen transparenter darzustellen. Vom Ausbau von Kitas oder Schulsanierungen bis hin zum Wohnungsneubau konnten die Bürger:innen erkennen, wofür ihre Steuergelder verwendet wurden.

Als die Anwendung »Offener Haushalt« von den zivilgesellschaftlichen Initiativen eingestellt wurde, entschied die Senatsverwaltung für Finanzen, die Web-Darstellung der Haushaltsdaten gemeinsam mit dem CityLAB Berlin und der Open Data Informationsstelle des Landes Berlin fortzuführen. Denn auch die Verwaltung hatte den Nutzen der Visualisierung erkannt und für ihre eigene Verwaltungsarbeit genutzt. In der Visualisierung können die geplanten Einnahmen und Ausgaben aus verschiedenen Funktionen und Bereichen der Berliner Verwaltung durch ein Baumdiagramm erkundet werden. Die Visualisierung wurde auch um eine Suchfunktion erweitert.

Die Zivilgesellschaft war mit ihrer Anwendung »Offener Haushalt« Vorreiterin und Ideengeberin für die Berliner Verwaltung. Das Land Berlin und die Verwaltungen sollten das Ziel verfolgen, nicht nur einmalige Webanwendungen zu erstellen, die den Nutzen von Open Data präsentieren, sondern Prototypen zu entwickeln, die auch von der Berliner Verwaltung fortgeführt werden. Es zeigt sich, dass die Verwaltung immer mehr Möglichkeiten sucht, ihre eigenen Daten in Visualisierungen darzustellen oder Prototypen zu erstellen, die ihre Verwaltungsarbeit erleichtern. Diesem Anspruch möchten wir auch auf dem Open Data-Portal nachkommen und stellen zu einigen offenen Verwaltungsdaten auch die jeweiligen Visualisierungen und Karten zur Verfügung.

Die Verwaltungsbeschäftigten sollen zusätzlich im Rahmen von Datenkompetenz-Schulungen des Landes Berlin lernen, wie sie eigenständig Dashboards, Visualisierungen und Karten mit dem »QGIS System« erstellen können. Dadurch können mehr Visualisierungen entstehen, die wir auf dem Open Data-Portal aufnehmen können. Das macht wiederum unsere offenen Daten für die Bürger:innen besser interpretierbar.

Technische und prozessuale Schnittstellen für die Zusammenarbeit zwischen Staat und Zivilgesellschaft schaffen am Beispiel Luftqualität

Civic Tech lässt sich auch vermehrt im Umwelt- und Klimaschutz finden, beispielsweise zum Thema Luftqualität. In dem von der Zivilgesellschaft getriebenen Projekt Sensor.community (ehemals luftdaten.info) können Stadtbewohner:innen eine kleine Luftdatensensorstation auf dem Balkon oder am Fenster anbringen, die dann Daten übers Netz zum Projektserver übermittelt. Damit können Stadtbewohner:innen erfahren, welche Schadstoffe sie mit der Luft in ihrem Wohnort einatmen und auch Karten über die Luftqualität erstellen. Mittlerweile gibt es schon über 4.000 dieser Sensorstationen. So entsteht ein globales Sensornetzwerk, das offene Umweltdaten generiert.

Auch die Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verkehr und Klimaschutz misst die Luftqualität in Berlin und hat siebzehn Stationen des Luftgütemessnetzes aufgestellt. Die Daten und Auswertungen mit Karten zu der Luftqualität finden sich sowohl auf der Webseite https://luftdaten.berlin.de/lqi als auch in der App »Berlin Luft« wieder. Bürger:innen können sich eine Übersicht über das Messnetz verschaffen und sich über die Messstationen und die gemessenen Luftschadstoffe informieren.

Für eine bessere Zusammenarbeit zwischen Verwaltung und Zivilgesellschaft wäre es zum Beispiel denkbar, eine technische Schnittstelle zwischen beiden Plattformen zu implementieren, so dass die Daten aus den über 4.000 Messstationen der Zivilgesellschaft auch in die Auswertungen der »Berliner Luft« App einfließen und somit einen noch detaillierteren Einblick in die Luftqualität der Stadt bieten können. Die von der Zivilgesellschaft gesammelten Daten über die Luftqualität würden einen großen Mehrwert für den Staat bringen: Je mehr Messstationen Sensordaten an die zentrale Plattform übermitteln, desto akkurater und umfangreicher sind die stündlich aktualisierten Messwerte.

Kooperationsmodelle, um gemeinsam Bürger:innen zu erreichen

Es wurden bereits einige Kooperationsmodelle erprobt, um die Bürger:innen zu erreichen und auch ihre Beteiligung an den Verwaltungsprozessen zu ermöglichen. Ein wichtiges digitales Tool für die Kommunikation zwischen Staat und Zivilgesellschaft in Berlin ist die Bürger:innen-Beteiligungsplattform mein.berlin.de. Im Sinne von »Open Government« ruft das Land Berlin zur Mitgestaltung und zum Mitbestimmen auf. Mittlerweile wurden 60175 Ideen und Kommentare von Bürger:innen eingereicht. Die einzelnen Projekte zum Mitbestimmen und Mitmachen werden von den Mitarbeiter:innen der Senatsverwaltungen, der Bezirksämter sowie der Quartiersmanagements eingestellt. Die Bürger:innen können beispielsweise nicht nur entscheiden, wo neue Fahrradbügel angebracht werden, sondern auch wo es Sitzgelegenheiten auf den Bürgersteigen geben soll.

Im Land Berlin konnten sich die Bürger:innen an der Gestaltung und Weiterentwicklung der Open Data-Strategie beteiligen. Über mein.berlin.de haben wir Online-Umfragen im Vorfeld zu den Stakeholder:innen-Workshops durchgeführt. Die gesamte Zivilgesellschaft und die Bürger:innen wurden aufgerufen, die Daten zu melden, die sie gerne von der Berliner Verwaltung als Open Data hätten. Sie konnten auch ihr Feedback zu der Umsetzung der bisherigen Open Data-Strategie und ihre Verbesserungswünsche für die Zusammenarbeit zwischen Staat und Zivilgesellschaft mitteilen. Die Rückmeldungen wurden evaluiert und zusammengefasst veröffentlicht unter Online-Umfrageergebnisse.

Was kann die öffentliche Hand machen, um die Verfügbarkeit offener Daten zu verbessern?

Das Land Berlin wird demnächst nach der Befassung im Senat seine neue Open Data-Strategie veröffentlichen, die im Rahmen eines breiten Partizipationsprozesses der Stadtgesellschaft entstanden ist. Darin wurden viele Maßnahmen entwickelt, um sowohl die Datenbereitstellung als auch die Datenqualität auf dem Open Data-Portal zu verbessern.

Wir wollen die Zahl der offenen Datensätze der Berliner Verwaltung deutlich steigern und orientieren uns an den Kerndatensätzen, deren Veröffentlichung einen Mehrwert für die Stadtgesellschaft auf dem Weg zu einer Smart City bringt. Unser Ziel ist es, bis Ende der aktuellen Legislaturperiode alle Kerndatensätze zu veröffentlichen. Dafür werden die Senats- und Bezirksverwaltungen Dateninventuren durchführen, um herauszufinden, welche Daten sie besitzen, welche Bereiche zu den datenhaltenden Stellen gehören und wie sich die Datenströme innerhalb aber auch zwischen den Behörden darstellen. Wir wollen auch weiterhin die »Open-by-Default« Strategie fortführen und die zahlreichen Fachverfahren und IT-Systeme, die es als »Insellösungen« im Land Berlin gibt, mit möglichst wenigen Handgriffen und mit Schnittstellen an das Open Data Portal anbinden.

In unserer Open Data Verordnung, die am 1.1.2021 in Kraft getreten ist, ist geregelt, dass die Berliner Verwaltung bei Aufträgen und Zuwendungen mit Dritten die Datensouveränität beachten muss. Nur wenn die »Verfügungsgewalt« über die Daten bei den Verwaltungen selbst liegt, kann die Verwaltung frei entscheiden, diese Daten auch in maschinenlesbaren Formaten und unter freien Lizenzen für eine kommerzielle Weiternutzung für die Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen.

Damit die Verwaltungsbeschäftigten in ihren Verträgen künftig auch ihre Vertragspartner:innen aus der Wirtschaft oder Wissenschaft auf die »Open Data-Pflicht« aufmerksam machen können, haben wir Leitfäden und Checklisten mit Muster-Open Data-Klauseln veröffentlicht. Dadurch erreichen wir es, dass die Wirtschaft und Wissenschaft die Daten, die sie im Rahmen eines Auftrages mit dem Land Berlin erstellt haben, dem Land Berlin für eine Open Data-Veröffentlichung zur Verfügung stellen müssen.

Wir haben noch lange nicht alle unsere Ziele im Bereich Open Data erreicht und möchten weiterhin den fachlichen Austausch zwischen Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft im Sinne der Transparenz und Offenheit fortführen. Sowohl an den Hackdays als auch den Innovationslaboren möchten wir teilnehmen, um von den Civic Tech-Projekten Inspiration für die Verwaltung mitzunehmen. Denn aktuell hakt es insbesondere daran, dass uns viele Civic Tech Projekte noch nicht bekannt sind. In den Austauschformaten wie dem Open Data Lunch Format oder den Barcamps und Hackdays wollen wir die Gelegenheit nutzen, die vielen spannenden Civic Tech Projekte kennen zu lernen und für die Verwaltung zu verwenden.

Wir freuen uns auf den weiteren Austausch und die zahlreichen Civic Tech Projekte, die aus den offenen Verwaltungsdaten entstehen und unsere Verwaltungsmodernisierung fördern.

Die Zentrale Stelle für Open Data des Landes Berlin freut sich, Feedback und Vorschläge von der Civic Tech Community zu erhalten unter opendata@seninnds.berlin.de.

Ein Überblick über alle Beiträge dieser Reihe befindet sich hier: Blogreihe Civic Tech

Weiterführendes von ÖFIT:

Titelbild der Publikation Ein Open-Source-Ökosystem für die öffentliche Verwaltung

August 2022

Ein Open-Source-Ökosystem für die öffentliche Verwaltung

Wie kann ein nachhaltiges Ökosystem zwischen Open-Source-Software, staatlicher Finanzierung und Einflussnahme sowie Akteur:innen aus Wirtschaft und Zivilgesellschaft aussehen? Um diese Frage zu beantworten, haben wir bestehende Literatur ausgewertet und Expert:innen befragt. In der Publikation wird ein praktischer Vorschlag skizziert, wie etablierte Open-Source-Strukturen mit der öffentlichen Verwaltung verknüpft werden können. Ergebnis ist ein Netzwerk aus Rollen und deren Beziehungen zueinander, welche ein solches ideelles Ökosystem beschreibt. Anhand verwaltungsspezifischer Anwendungsszenarien wird gezeigt, wie die Verwaltung eigene Interessen in der Open-Source-Gemeinschaft vertritt, neue Codebases für eigene Bedarfe initiiert oder Inkubatorin für potentielle Startups wird.

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Titelbild der Publikation Ein Kompass für IT im öffentlichen Raum

März 2022

Ein Kompass für IT im öffentlichen Raum

Die komplexen Vorhaben der Digitalisierung können nicht allein durch Technik gelöst werden, auch nicht-technische Maßnahmen müssen einbezogen werden. Das White Paper beleuchtet am Beispiel Smart-City Herausforderungen bei der Konkretisierung von Gestaltungszielen für den öffentlichen Raum. Im Mittelpunkt steht dabei die Übertragung gesellschaftlicher Werte in Anforderungen an Technik. Entscheidend hierfür ist die Kompetenz, Werte in Lösungen übersetzen zu können. Neben bewährten Ansätzen stellen wir ein neues Werkzeug vor, das laufenden und zukünftigen Projekten Anregungen für ein praxisgerechtes Vorgehen geben soll: Mit dem »Ko2mpass für Smart Cities« wollen wir beitragen, den Möglichkeitsraum der Gestaltung mit Blick auf seine Kontingenz und Kontextabhängigkeit auszuschöpfen.

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Titelbild der Publikation Die Logik der Daten nutzen - Fortschrittliche Datenstrategien entwickeln

September 2022

Die Logik der Daten nutzen - Fortschrittliche Datenstrategien entwickeln

Daten bieten perfekte Eigenschaften für eine intensive Nutzung: Sie nutzen sich nicht ab und schaffen mitunter völlig neue Lösungsmöglichkeiten. Entsprechend bedeutsam für Staat, Gesellschaft und Wirtschaft ist es, dass Daten möglichst vielfältig genutzten werden. Bislang profitieren jedoch nur wenige Akteure von meist eigenen, geschlossenen Datenquellen. Datenstrategien sollten, so das Petitum dieses White Papers, dies berücksichtigen und als umfassende Datennutzungsstrategien angelegt werden. Dabei rückt die Frage in den Mittelpunkt, wie die Datenteilung und -nutzung incentiviert und Barrieren abgebaut werden können. Ziel ist es, den Wettbewerb um die besten, datengetriebenen Ideen zu eröffnen und so Innovationen zu fördern.

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Veröffentlicht: 24.05.2023