Der Blaue Engel - das Umweltzeichen der Bundesregierung
Der Blaue Engel - das Umweltzeichen der Bundesregierung
Gastbeitrag von Rosemarie Bähne und Anna Zagorski.
Rosemarie Bähne arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Umweltbundesamt (UBA) zu Themen der Green IT. Sie ist zuständig für die Themen nachhaltige digitale Infrastruktur, Hardware und europäische und internationale Aktivitäten im Bereich Umwelt und Nachhaltigkeit. Zuvor hat sie Umweltinformatik im Master an der HTW Berlin (Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin) studiert.
Anna Zagorski ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Umweltbundesamt (UBA) und arbeitet dort zu Themen der Green IT. Ihre Themenschwerpunkte sind nachhaltige Software, Green Coding-Techniken und softwarebedingte Obsoleszenz. Sie absolvierte ein Masterstudium der Betrieblichen Umweltinformatik an der HTW Berlin (Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin) und an der University of Southern Denmark (SDU Odense).
Den Blauen Engel kennen die meisten von Recyclingpapier, Waschmittel oder Wandfarben. Weniger wissen von der breiten Produktpalette, die mit dem Umweltzeichen ausgezeichnet wird – auch in der Produktgruppe Informations- und Kommunikationstechnik (IKT). Der Blaue Engel zeichnet seit 1978 umweltschonende Produkte und Dienstleistungen aus. Das Umweltzeichen der Bundesregierung dient dazu, privaten Verbrauchern, institutionellen Großverbrauchern und öffentlichen Einrichtungen eine zuverlässige Orientierung beim umweltbewussten Einkauf zu geben.
Generell ist der Blaue Engel als multikriterielles Siegel auf verschiedene Bereiche ausgerichtet. Dazu zählt die Reduzierung von Umweltbelastungen, der Schutz der Gesundheit, die Gebrauchstauglichkeit sowie die Qualität der ausgezeichneten Produkte. Der Blaue Engel gehört zu den Typ-I-Umweltzeichen, die für eine besonders hohe Qualität der Produktkennzeichnung in Bezug auf Transparenz, Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit stehen.
Das Siegel soll die besten 20-30% der Produkte einer Produktgruppe auszeichnen und hat dementsprechend ambitionierte Vergabekriterien. Diese werden vom Umweltbundesamt entwickelt und ca. alle vier Jahre, dem neuesten Stand der Wissenschaft entsprechend und unter Einbezug von interessierten Stakeholdern, überarbeitet. Die endgültige Entscheidung über die Gestaltung der Vergabekriterien für die jeweiligen Produktgruppen erfolgt durch die »Jury Umweltzeichen«, welche aus weisungsfreien und unparteiischen Ehrenamtlichen besteht. Die RAL gGmbH prüft die Anträge der Hersteller, welche ihre Produkte zertifizieren lassen wollen, auf die Einhaltung der Kriterien und vergibt das Siegel, das dann für einen Zeitraum von drei Jahren gültig ist. Der Blaue Engel setzt somit freiwillige Standards, die über die gesetzlichen Regelungen von Umweltvorgaben hinausgehen und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Förderung ökologischer Produktinnovation.
Für die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung relevante Siegel sind unter anderem der Blaue Engel für Computer und Tastaturen, für Rechenzentren und für Softwareprodukte. Als weitere Produkte dieser Produktgruppe werden z.B. auch Router, Server, Drucker, Telefonanlagen und Smartphones ausgezeichnet.
Der Blaue Engel für Computer und Tastaturen (DE-UZ 78)
Computer und Tastaturen mit Blauem Engel zeichnen sich durch einen besonders geringen Energieverbrauch aus. Neben der Energieeffizienz wird auch die Ressourceneffizienz adressiert. Der Abbau von Rohstoffen, die für die Herstellung von IT-Geräten essentiell sind, wie seltene Erden, Gold oder Tantal, belastet die Umwelt in den Abbaugebieten. Zusätzliche Umweltbelastungen entstehen bei der Produktion der Komponenten. Aus diesem Grund sollten die Geräte möglichst lange genutzt werden können, weswegen die Reparaturfähigkeit eines der Kriterien des Blauen Engels ist. Ebenso wird auf eine recyclinggerechte Konstruktion geachtet. Auch die gesundheitlichen Aspekte bei der Nutzung spielen eine Rolle bei der Bewertung. Daher werden die verwendeten Kunststoffe auf Schadstoffarmut überprüft.
Derzeit sind nur Tastaturen mit diesem Engel ausgezeichnet. Um auch Computer für die Zertifizierung zu gewinnen, wurden Gespräche mit den Herstellern geführt, bei denen bestehende Hemmnisse diskutiert und die Hersteller motiviert wurden, das Siegel in Zukunft ebenfalls zu beantragen. Zusätzlich soll der Geltungsbereich schon bald auf Computer-Mäuse erweitert werden.
Der Blaue Engel für ressourcen- und energieeffiziente Softwareprodukte
Der Blaue Engel für ressourcen- und energieeffiziente Softwareprodukte (DE-UZ 215) hat sich zum Ziel gesetzt, die Energie- und Ressourceninanspruchnahmen der IKT insgesamt zu reduzieren und die Ressourceneffizienz zu steigern. Damit kann umweltverträgliche Software auch zur Kosteneinsparung in Behörden beitragen. Nachhaltige Software hat wesentlichen Einfluss darauf, wie ressourcenschonend Computer genutzt werden können und beeinflusst die Lebenszeit von Hardware. So kann sich zum Beispiel der Energieverbrauch von Textverarbeitungsprogrammen um den Faktor Vier unterscheiden, was zeigt, wie groß das Einsparpotential ist. Da Software in vielen Organisationen millionenfach ausgeführt wird, sind hier aufgrund von Skalierungseffekten riesige Energie- und Ressourceneinsparungen möglich. Neben der Energie- und Ressourcenschonung sind Transparenz und Nutzerautonomie weitere Kernkriterien des Umweltzeichens. Garantiert wird beispielsweise die Dokumentation der Software, sowie die Bereitstellung wesentlicher Informationen wie Programmierschnittstellen oder Lizenzbestimmungen. Der Blaue Engel stellt außerdem weitere Anforderungen zu Werbefreiheit (ein wichtiges Kriterium bei Apps), der Möglichkeit, Software wieder rückstandslos deinstallieren zu können und Sicherheitsupdates, die für mindestens fünf Jahre bereitgestellt werden müssen. Die erste Desktop-Software, die mit dem Blauen Engel ausgezeichnet wurde, ist der PDF-Reader »Okular«, eine Open-Source-Software. Im Jahr 2024 wurde der Geltungsbereich des Blauen Engels Software um mobile Apps und Client-Server-Systeme erweitert. Die Vergabekriterien wurden ebenfalls überarbeitet und angepasst und im August 2024 veröffentlicht.
Der Blaue Engel für Rechenzentren
Mit der fortschreitenden Digitalisierung steigt der Bedarf an zentraler Rechen- und Speicherleistung stetig. Der Betrieb der Rechenzentren benötigt immense Mengen an Energie. Gleichzeitig werden viele Rechenzentren sehr ineffizient betrieben und nicht ausgelastet. Ein Rechenzentrum, das mit dem Blauen Engel (DE-UZ 228) zertifiziert ist, setzt Maßstäbe für einen ressourcen- und energieeffizienten Betrieb, wobei die gebäudetechnische Infrastruktur optimal auf die Versorgung der IT eingestellt ist. Dieses Ziel wird durch eine Reihe von Kriterien erreicht, die die unterschiedlichen Bereiche eines Rechenzentrums adressieren. Ein weiterer Aspekt ist eine transparente Berichterstattung, welche die Betreiber und die Kund:innen von Rechenzentren überhaupt erst in die Lage versetzen, faktenbasierte Entscheidungen zur Optimierung der Energieeffizienz zu treffen.
Aktuell sind vier Rechenzentren mit dem Blauen Engel ausgezeichnet. Für die öffentliche Beschaffung ist allerdings nicht die Anzahl ausgezeichneter Produkte entscheidend. Die Kriterien selbst können bei Ausschreibungen als Anforderungen genutzt werden. Das Umweltbundesamt entwickelt dafür spezifische Beschaffungsleitfäden, die als ausführliche Hilfestellung genutzt werden können. Der Beschaffungsleitfaden des Umweltbundesamts für Software (Neufassung 2023) enthält zum Beispiel viele konkrete Hinweise und Anforderungen für die Beschaffung von Standard-Software und die Beauftragung von Softwareentwicklungen. Sie können von Beschaffungsstellen als Grundlage bei Ausschreibungen herangezogen werden. Im Leitfaden enthalten sind auch ein Anbieterfragebogen und Vorschläge für die Bewertung der Angebote.
Seit der Vergaberechtsreform 2016/2017 können Umweltzeichen noch einfacher bei der Beschaffung berücksichtigt werden. Öffentliche Vergabestellen können bei Ausschreibungen auf Umweltzeichen wie den Blauen Engel verweisen und diese oder vergleichbare Zeichen als Nachweis fordern. Öffentliche Einrichtungen können somit ihrer Vorbildfunktion gerecht werden, in dem sie bei der Beschaffung von Produkten auch deren Umweltverträglichkeit berücksichtigen. Die Betrachtung des gesamten Lebenszyklus eines Produkts, wie es bei dem Blauen Engel stattfindet, hilft zudem oft Kosten zu sparen. So müssen langlebigere Produkte beispielsweise weniger häufig ersetzt werden. Der Blaue Engel ist ein wichtiges und hochwertiges Umweltzeichen, welches bei der öffentlichen Beschaffung die Nachhaltigkeit fördert.
Weiterführendes von ÖFIT:
Das Gemeinwohl-Potenzial digitaler Assistenten
Als datengesteuerte Navigatoren werden digitale Assistenten im Alltag immer wichtiger. Sie können aus einer wachsenden Datenmenge schöpfen und mit neuen Methoden des Maschinellen Lernens immer mächtigere und individueller zugeschnittene Empfehlungen geben. Dadurch gestalten sie nicht nur den persönlichen Alltag, sondern beeinflussen auch gesellschaftliche Trends. Unser White Paper beleuchtet, wie digitale Assistenten funktionieren, wie Werte ihre Informationsvermittlung prägen und welchen Beitrag sie zum Gemeinwohl leisten können.
Good Practices störungsresilienter, menschzentrierter Technikgestaltung
Warum geht die Entwicklung digitaler Werkzeuge so oft am Bedarf der Nutzenden vorbei, obwohl menschzentrierte Gestaltungsansätze hierfür doch zahlreiche Lösungen bereitstellen? Damit menschzentrierte Gestaltung erfolgreich ist, braucht es neben Methodenwissen ein gemeinsames Verständnis und die richtige Haltung. Der Impuls beschreibt Good Practices für einen resilienten Umgang mit typischen Störungen und skizziert entlang verschiedener Projektphasen eines fiktiven Projektszenarios das Ineinandergreifen von Rahmenbedingungen und idealen methodischen Abläufe im Forschungs- und Entwicklungskontext. Dabei gibt der Impuls Fördergebenden, Projektverantwortlichen und Entwickler:innen Einblicke in häufig nur implizit vorhandenes Praxiswissen.
Ein Kompass für IT im öffentlichen Raum
Die komplexen Vorhaben der Digitalisierung können nicht allein durch Technik gelöst werden, auch nicht-technische Maßnahmen müssen einbezogen werden. Das White Paper beleuchtet am Beispiel Smart-City Herausforderungen bei der Konkretisierung von Gestaltungszielen für den öffentlichen Raum. Im Mittelpunkt steht dabei die Übertragung gesellschaftlicher Werte in Anforderungen an Technik. Entscheidend hierfür ist die Kompetenz, Werte in Lösungen übersetzen zu können. Neben bewährten Ansätzen stellen wir ein neues Werkzeug vor, das laufenden und zukünftigen Projekten Anregungen für ein praxisgerechtes Vorgehen geben soll: Mit dem »Ko2mpass für Smart Cities« wollen wir beitragen, den Möglichkeitsraum der Gestaltung mit Blick auf seine Kontingenz und Kontextabhängigkeit auszuschöpfen.
Veröffentlicht: 16.10.2024