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Digital Gender

  Bibliographische Angaben

Digital Gender

Autorinnen / Autoren:
Franziska Knöppchen
Zuletzt bearbeitet:
Jul 2017
Titel:
Digital Gender
Trendthema Nummer:
47
Herausgeber:
Kompetenzzentrum Öffentliche IT
Titel der Gesamtausgabe
ÖFIT-Trendschau: Öffentliche Informationstechnologie in der digitalisierten Gesellschaft
Erscheinungsort:
Berlin
Autorinnen und Autoren der Gesamtausgabe:
Mike Weber, Stephan Gauch, Faruch Amini, Tristan Kaiser, Jens Tiemann, Carsten Schmoll, Lutz Henckel, Gabriele Goldacker, Petra Hoepner, Nadja Menz, Maximilian Schmidt, Michael Stemmer, Florian Weigand, Christian Welzel, Jonas Pattberg, Nicole Opiela, Florian Friederici, Jan Gottschick, Jan Dennis Gumz, Fabian Manzke, Rudolf Roth, Dorian Grosch, Maximilian Gahntz, Hannes Wünsche, Simon Sebastian Hunt, Fabian Kirstein, Dunja Nofal, Basanta Thapa, Hüseyin Ugur Sagkal, Dorian Wachsmann, Michael Rothe, Oliver Schmidt, Jens Fromm
URL:
https://www.oeffentliche-it.de/-/digital-gender
ISBN:
978-3-9816025-2-4
Lizenz:
Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (CC BY 3.0 DE) http://creativecommons.org/licenses/by/3.0 de/legalcode. Bedingung für die Nutzung des Werkes ist die Angabe der Namen der Autoren und Herausgeber.

Welche Rolle spielt die Geschlechteridentität im Digitalen? Hilft das Internet dabei, Geschlechterungleichheiten oder gar die Geschlechter selbst aufzulösen? Oder bleibt doch alles beim Alten und kulturelle Gepflogenheiten sind mächtiger als moderne Technologien?

Der Begriff Gender

Das Thema „Gender" wird in vielfältiger Weise diskutiert. Sozial konstruierte Geschlechter, gesellschaftliche Machtverhältnisse und Sprachverhalten sind dabei nur Teilaspekte bei der Konstruktion von Geschlecht. Genderaspekte wurden beispielsweise auch immer schon in der Science-Fiction thematisiert. Wer denkt schon darüber nach, dass in Filmen nur allzu gerne mit Geschlechterbildern gespielt wird: wenn beispielsweise in Alien Männer gebären, ein Roboter in Terminator eine Vaterfigur übernimmt oder Prinzessin Leia in Star Wars selbst zur Waffe greift. Auch die Figur des Cyborgs ist per se geschlechtsunspezifisch und wird im Transhumanismus begeistert als zukünftige Version optimierter Körper interpretiert. Im Zusammenhang mit künstlichen Intelligenzen und digitalen Welten birgt das Gender-Konzept das Potenzial, Menschen nicht mehr nur körpergebunden wahrzunehmen.

Bei den digitalen Geschlechterverhältnissen hat sich einiges getan. Anfangs stießen etwa Navigationssysteme mit weiblichem Stimmmuster bei deutschen Männern auf Ablehnung, weil sie sich den Weg nicht von einer Frau vorschreiben lassen wollten. Heute folgen der attraktiven – meist voreingestellten – weiblichen Assistenzstimme Männer wie Frauen gleichermaßen.
Global betrachtet kann nicht jede_r so selbstverständlich von der Digitalisierung und modernen Technologien profitieren. Die UN schätzt, dass die Mehrheit der 2,8 Milliarden Menschen mit Internetzugang männlich ist: 200 Millionen mehr Männer als Frauen können auf das Internet zugreifen. Ein Umstand, der die wirtschaftliche Benachteiligung von Mädchen und Frauen gleichermaßen bestätigt wie manifestiert, weil Menschen ohne Zugang zu digitalen Medien vielfältige Erwerbs-, Bildungs- und Teilhabemöglichkeiten verschlossen bleiben (siehe Digitale Gräben).

Begriffliche Verortung

Netzwerkartige Verortung des Themenfeldes
Gesellschaftliche und wissenschaftliche Verortung

Segen und Fluch der Anonymität

Dabei bietet das Internet die Möglichkeit, sich durch das Erlernen von Wissen und das Finden von Gleichgesinnten aus gesellschaftlichen Zwängen zu befreien. Gleichzeitig kann Anonymität im Netz eine Chance zur Vermeidung von Diskriminierung und stereotypischen Denkmustern sein, weil Geschlecht, Aussehen und Stimme ausgespart werden können. Alternativ lässt sich eine pseudonyme Identität schaffen, die als personifizierter Avatar frei wählbare Körperattribute erhält (siehe Immersion).

Anonymität kann aber auch ausgenutzt werden, zum Beispiel beim Kommentieren von Statusmitteilungen, Fotos oder Bildern. Die Hemmschwelle für Beleidigungen aus der Anonymität heraus ist weitaus geringer als in der analogen Welt. Cybermobbing richtet sich zwar gleichermaßen gegen Frauen wie gegen Männer (siehe Digitale Unversehrtheit). Männer werden aber eher als Person und auf Grund ihrer Taten oder Meinungen beleidigt, während Frauen meist als Geschlechtergruppe diskriminiert werden. Sexistische Kommentare und Androhungen körperlicher Gewalt gegenüber Frauen im Web sind keine Seltenheit.

Reproduktion von Geschlechterstereotypen

Genderaspekte lassen sich auch bei Veröffentlichungen von – zum Teil kommerziellen – Blogs und Videobeiträgen finden. In einigen dieser sehr erfolgreichen Unterhaltungsprogramme werden ganz konkret Geschlechterstereotype reproduziert, wenn zum Beispiel darüber diskutiert wird, wie das andere Geschlecht tickt. Diese Auffassungen davon, wie Mann und Frau sich verhalten, orientieren sich an gesellschaftlichen Normen und bedienen und festigen Klischees. Der Cyberraum kann aber auch dazu beitragen, Geschlechterstereotype aufzulösen und zu hinterfragen. So bieten einige soziale Netzwerke die Auswahl zwischen mehreren Geschlechtsidentitäten, was eine Reflexion verfestigter Klischees und Stereotype geradezu herausfordert.

Das Spiel der Geschlechterzuweisung treibt ganz andere Blüten, wenn Datingportale Chatbots (siehe Social Bots) zum Catfishen nutzen: Chatbots täuschen eine weibliche Identität vor, um vermeintlich ein günstigeres Geschlechterverhältnis zu erreichen,, das für das Geschäftsmodell der Plattformen wesentlich ist. Kommerzielle Verwertung verfestigt Geschlechterrollen, die kommerzielle Verwertung ermöglichen. Zugleich schließen sich hier grundsätzliche Fragen nach der partiellen Substituierbarkeit von Menschen durch künstliche Intelligenz (siehe Denkende Maschinen) ebenso an wie die, ob dadurch bewiesen ist, dass Geschlechtern zugeschriebenes Verhalten erlernt werden kann – sogar von Maschinen.

Digitalisierungsfragen der Genderforschung

Was bedeutet das für zukünftige KI-Systeme? Täuschen sie Geschlecht vor und reproduzieren Stereotype? Oder verhalten sie sich weder männlich noch weiblich, sondern einfach menschlich und das Geschlecht teilen wir ihnen durch erlernte gesellschaftliche Prozesse unbewusst zu? Wie kann verhindert werden, dass selbstlernende Algorithmen Stereotype und Diskriminierung verinnerlichen und diese damit verstetigen (siehe Neuronale Netze)?

Digital Gender ist ein breit aufgestellter Begriff und in seiner Definition nicht abgeschlossen. Digitalisierte Stimmen, Präsenz im Internet, Cybermobbing und modernes Socializing geben Aufschluss über Gender im digitalen Kontext. Die Herausforderung ist, den virtuellen und den analogen Raum als Einheit zu betrachten, die einander beeinflussen. Warum die meisten von uns digitale Assistenzsysteme nur mit ihrer weiblichen Stimme kennen und warum Frauen in der digitalen sowie der analogen Welt anderen Problemen gegenüberstehen als Männer, hat zuallererst gesellschaftliche Gründe. Das Internet und digitale Technologien können Geschlechterstereotype verstärken, bieten aber auch die Möglichkeit, sie zu überdenken. Das Variieren der KI-Stimmen, die Verbreitung digitaler Technologien in Entwicklungsländern, verantwortungsvoller Umgang mit Anonymität im Internet und das Hinterfragen gesellschaftlicher Strukturen sind nur einige davon.

Themenkonjunkturen

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Wissenschaftliche Publikationen und Patentanmeldungen

Folgenabschätzung

Möglichkeiten

  • Freiheit von geschlechtsspezifisch festgelegten, gesellschaftlichen Strukturen etwa durch Anonymität
  • Bildung von Communities und diskriminierungsfreien Räumen
  • Soziale Netzwerke machen Vielfalt sichtbar
  • Soziale Netzwerke als Plattform für gemeinsame öffentliche Kritik an gesellschaftlichen Konventionen
  • Das Internet als Mittel zu gleichberechtigter Teilhabe und Bildung
  • Virtualität und virtuelle Realität ermöglichen es, mit Geschlechterrollen zu spielen, diese zu hinterfragen und aufzulösen
  • Entgenderung künstlicher Intelligenz, sodass diese keine Stereotype bedient

Wagnisse

  • Identifikation und gesellschaftliches Angehen gegen geschlechtsspezifisches Cybermobbing
  • Rechtliches Vorgehen gegen Cybermobbing und bei der internationalen Harmonisierung
  • Private Zensur durch Webseitenbetreiber jenseits demokratischer Legitimierung, solange keine Rechtsprechung erfolgt
  • Reproduktion geschlechtsspezifischer sozialer Ungleichheiten durch ungleichen Zugang zu digitalen Ressourcen
  • Verstetigung und Reproduktion von Geschlechtsstereotypen durch (selbstlernende) Algorithmen

Handlungsräume

Verschiedene Geschlechteridentitäten zulassen

Die Identität eines Menschen wird nicht von biologischen Merkmalen, der Herkunft oder der sexuellen Orientierung festgelegt. Im Cyberspace wird eine Auflösung dieser Kategorien erlebbar. Der Staat kann dies unterstützen – schon beim Anrede-Feld im Kontaktformular.

Zugang zum Internet als Teil der Entwicklungshilfe

Der Zugang zu digitalen Medien und Ressourcen eröffnet vielfältige Bildungs- und Teilhabemöglichkeiten (siehe Mobile Money). Die gezielte Förderung des Internetzugangs für marginalisierte Gruppen im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit kann einen Beitrag zur Gleichstellung und Verbesserung der Lebensqualität leisten.

Medienkompetenz im Schulunterricht

Der Risiken beim Umgang mit sozialen Netzwerken und dem Teilen persönlicher Informationen online müssen sich schon Kinder und Jugendliche bewusst sein.

Forschung im Bereich Maschinenethik

Algorithmen reproduzieren die Vorurteile ihrer Entwickler_innen. Forschungsarbeiten mit dem Ziel, Diskriminierung aufzudecken und zu beheben, sollten verstärkt gefördert werden. Gerade wenn die öffentliche Hand selbst Algorithmen einsetzt (siehe Vorhersagende Polizeiarbeit), bedürfen diese einer eingehenden Prüfung.