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eGov-Campus-Ringvorlesung: Einsatz der Blockchain-Technologie im öffentlichen Sektor

eGov-Campus-Ringvorlesung: Einsatz der Blockchain-Technologie im öffentlichen Sektor

Information: Der eGov-Campus ist eine vom IT-Planungsrat geförderte Aus- und Weiterbildungsplattform zur Digitalisierung im öffentlichen Sektor. Das Projekt richtet sich an alle, die sich rund um die Themen E-Government und Verwaltungsinformatik weiterbilden möchten. In den Ringvorlesungen präsentieren verschiedene Expert:innen aus Wissenschaft und Lehre zentrale Fragestellungen rund um die Gestaltung des digitalen öffentlichen Sektors und bieten ihrem Publikum neue Perspektiven und Antworten an. Wir stellen Ihnen in unserer Reihe ausgewählte Vorlesungen vor.

Welches Potenzial bietet Blockchain für die öffentliche Verwaltung und welche Hürden gibt es für den Einsatz dieser Technologie? Diese und weitere Fragen wurden in der Ringvorlesung »Einsatz der Blockchain-Technologie im öffentlichen Sektor« diskutiert. Bettina Stark-Watzinger, Bundesministerin für Bildung und Forschung, eröffnete die Vorlesung und betonte die Wirkungskraft des eGov-Campus für die Verwaltungsdigitalisierung und die Schlüsselrolle seiner interessierten Studierendenschaft. Dabei lenkte sie den Blick auf die Frage, wie die digitale Transformation beschleunigt werden könnte. Entscheidend dafür seien die Veränderungsbereitschaft der Menschen, die Bedürfnisse der Bevölkerung und das Tempo der Akteur:innen.

Die Bildungsministerin ermutigte das Publikum dazu, schwierige Fragen, wie die Registermodernisierung und die Entwicklung digitaler Identitäten, anzugehen, um den Alltag effizienter zu gestalten und das Wohl aller zu fördern. Um Innovationen voranzutreiben, bedürfe es einer interdisziplinären Betrachtung und gemeinsamen Kraftanstrengung. Sie verwies auf die Bedeutung von künstlicher Intelligenz, Augmented Reality, Industrie 4.0 und dem Internet der Dinge für die digitale Transformation und erinnerte daran, dass »die Studierenden von heute die Entscheider von morgen« seien.

»Die Digitalisierung in Deutschland geht eher schleppend voran«

Prof. Dr. Nils Urbach ist Professor für Wirtschaftsinformatik an der Frankfurt University of Applied Sciences und Leiter des Blockchain-Labors am Fraunhofer FIT. Für ihn sei es offensichtlich, dass sowohl die öffentliche Verwaltung als auch die Wirtschaft großen Nachholbedarf in der Digitalisierung hätten, wenn man die aktuellen Entwicklungsstände genauer betrachte. Aus dem Pool an dafür heranzuziehenden Gründen identifizierte Urbach drei ganz bestimme Hürden, mit denen ein neuer Umgang gefunden werden müsste: Föderale Strukturen, Fälschungsgefahr und Hoheitsverlust.

So sei es in Deutschland bisher nicht ausreichend gelungen, Probleme rund um die zentralisierte Speicherung von Daten zu lösen oder zentral gesteuerte Systeme zu implementieren. Hier zeigten sich Probleme der vielen unterschiedlichen Interessenlagen, die ein föderales System wie das der Bundesrepublik Deutschland mit sich brächte. Außerdem gelte es, den im behördlichen Kontext besonders hohen Ansprüchen an Fälschungssicherheit gerecht zu werden und die sensiblen Daten personenbezogener Dokumente der Bundesbürger:innen zu schützen. Schließlich beschrieb er Risiken eines möglichen Kontrollverlusts im digitalen Raum und den sich daraus ergebenden Hoheitsverlust des Staates.

Abbildung 1: Die Einsatzpotenziale der Blockchain-Technologie in der öffentlichen Verwaltung (Prof. Dr. Nils Urbach)

Warum mit Blockchain beschäftigen?

Urbach beschrieb Blockchain als dezentrale Technologie zur Speicherung von Transaktionsdaten, was sie zu einem vielversprechenden Tool für die Überwindung erwähnter Hürden mache. Dabei stellte er vor allem das »laufend aktualisierte, chronologisch geordnete und öffentlich einsehbare Register mit Informationen über Besitzverhältnisse und Transaktionen« der Blockchain heraus und die sich daraus ergebenden zentralen Merkmale von Unveränderbarkeit, Verfügbarkeit und Neutralität. Diese Funktionsprinzipien gewährleisteten eine Form von Sicherheit, wodurch die Technologie eine verlässliche Lösung für das Speichern und den Austausch sensibler Dokumente sein könnte.

Das konkrete Potenzial der Blockchain-Technologie für die öffentliche Verwaltung verdeutlichte Urbach anhand einiger Praxisbeispiele. Diese stellte er in einen größeren Zusammenhang mit den zuvor aufgeworfenen Eigenschaften und zeigte so auf, an welchen Stellen die jeweiligen Hürden überwunden werden konnten bzw. an welchen Stellschrauben in Zukunft noch gedreht werden könnte, um die Technologie noch besser einsetzen zu können.

Abbildung 2: Der Vortrag von Prof. Dr. Nils Urbach zum »Einsatz der Blockchain-Technologie im öffentlichen Sektor« kann hier angesehen werden. (eGov-Campus | youtube.com)

Wie kann die Technologie der öffentlichen Verwaltung konkret nutzen?

Der Professor berichtete von einem Pilotprojekt mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Sachsen, in dem die Blockchain-Technologie genutzt worden war, um den Prozess von Asylverfahren zu vereinfachen und zu vereinheitlichen. Dabei waren die Transparenz und Compliance des Verfahrens erhöht worden, und die Bearbeitung der Anträge hatte schneller erfolgen können. Die Neutralität der Technologie hatte dem Ministerium eine dezentrale Verarbeitung ermöglicht, wodurch die Notwendigkeit einer zentralen Kontrollstelle entfallen war. Dies sei besonders wichtig für die Skalierbarkeit auf Bundesebene und könne perspektivisch eine effizientere organisationsübergreifende Zusammenarbeit im europäischen Kontext ermöglichen.

In einem weiteren Beispiel erläuterte Urbach ein Projekt in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Landesamt für Steuern zur Implementierung eines elektronischen Einkommensnachweises. Dort war die Blockchain-Technologie genutzt worden, um Einkommensnachweise digital und sicher zu verwalten. Bürger:innen hatten so ihren Einkommensteuerbescheid als digitales Zertifikat in einer Smartphone-Wallet speichern und dieses einfach und datensparsam an Banken übermitteln können, um beispielsweise ihre Kreditwürdigkeit zu belegen. Die Blockchain hatte hier die Unveränderbarkeit und Authentizität der Nachweise gewährleistet, eine dezentrale Verfügbarkeit ermöglicht und als neutrale Infrastruktur gedient. Das System könne außerdem interoperabel aufgesetzt werden und als Teil eines Ökosystems fungieren, in dem eine Vielzahl von Anwendungsfällen für alle Bürger:innen ermöglicht werde.

Titelfolie Ringvorlesung Einsatz der Blockchain-Technologie im öffentlichen Sektor

Download Vorlesungsfolien Ringvorlesung Einsatz der Blockchain-Technologie im öffentlichen Sektor

Der Vorlesungsplan sowie die vergangenen Sitzungen inklusive der Vorlesungsfolien sind für alle Interessierten frei zugänglich und können auf der Website des eGov-Campus eingesehen werden.

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Veröffentlicht: 29.11.2023