Funkende Dinge
Funkende Dinge
- Autorinnen / Autoren:
- Jens Tiemann, Fabian Manzke
- Zuletzt bearbeitet:
- Juli 2019
- Titel:
- Funkende Dinge
- Trendthema Nummer:
- 52
- Herausgeber:
- Kompetenzzentrum Öffentliche IT
- Titel der Gesamtausgabe
- ÖFIT-Trendschau: Öffentliche Informationstechnologie in der digitalisierten Gesellschaft
- Erscheinungsort:
- Berlin
- Autorinnen und Autoren der Gesamtausgabe:
- Mike Weber, Stephan Gauch, Faruch Amini, Tristan Kaiser, Jens Tiemann, Carsten Schmoll, Lutz Henckel, Gabriele Goldacker, Petra Hoepner, Nadja Menz, Maximilian Schmidt, Michael Stemmer, Florian Weigand, Christian Welzel, Jonas Pattberg, Nicole Opiela, Florian Friederici, Jan Gottschick, Jan Dennis Gumz, Fabian Manzke, Rudolf Roth, Dorian Grosch, Maximilian Gahntz, Hannes Wünsche, Simon Sebastian Hunt, Fabian Kirstein, Dunja Nofal, Basanta Thapa, Hüseyin Ugur Sagkal, Dorian Wachsmann, Michael Rothe, Oliver Schmidt, Jens Fromm
- URL:
- https://www.oeffentliche-it.de/-/funkende-dinge
- ISBN:
- 978-3-9816025-2-4
- Lizenz:
- Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (CC BY 3.0 DE) http://creativecommons.org/licenses/by/3.0 de/legalcode. Bedingung für die Nutzung des Werkes ist die Angabe der Namen der Autoren und Herausgeber.
Mobilfunk und WLAN empfinden wir als immer schneller: Hohe und permanent steigende Datenraten machen es möglich. Die Vernetzung der vielen kleinen funkenden Dinge im Internet of Things (IoT) erfordert jedoch andere Qualitäten. Niedriger Energieverbrauch kombiniert mit hoher Reichweite ist hier entscheidend. Dafür wird jetzt eine neue Familie sogenannter Low Power Wide Area - Funktechniken (LPWA) verfügbar. Wie lassen sich diese Techniken für das Gemeinwesen nutzbar machen?
Spezielle Funknetze für das Internet der Dinge
Die hohen Datenraten moderner Funkübertragung werden vor allem durch energieintensive und komplexe Signalverarbeitung und die Nutzung hoher Frequenzbereiche ermöglicht (s. Zukünftige Anwendungsfelder für 5G). Für bestimmte Anwendungen insbesondere im Bereich des Internet der Dinge braucht es aber andere Eigenschaften: Die Nutzung niedriger Frequenzen (Sub-GHz) ermöglicht hohe Reichweiten und eine gute Durchdringung von Gebäuden, einfache Schaltungstechnik niedrigen Energieverbrauch und eine gute technische und wirtschaftliche Integrierbarkeit. Diese und andere Eigenschaften sind für Einsatzgebiete interessant, bei denen die gelegentliche Datenübertragung kleiner Datenmengen im Mittelpunkt steht.
Beispiele hierfür sind die Funkanbindung von Umwelt-Sensoren der Smart City oder funkende Smart Meter, wobei Verbrauchszähler nicht mehr nur innerhalb eines Hauses, sondern im ganzen Stadtteil ausgelesen werden können. Auf der Hand liegen auch Szenarien aus der Logistik, wie die Verfolgung von Waren und die Überwachung von Lieferketten. Lebende Objekte bieten ebenfalls Anwendungsszenarien, wenn etwa die Ortung von Haustieren über ihr funkendes Halsband erfolgen kann (s. Digitaler Sport).
Hohe Datenraten sind nicht alles
Die Bezeichnung Low Power - Wide Area (LPWA) enthält zwei wichtige Merkmale, mit denen sich verschiedene Funktechniken zur Datenübertragung klassifizieren lassen (vgl. Abbildung 1). Man unterscheidet zwischen eher niedrigen oder eher hohen Datenraten, wobei die Datenrate starken Einfluss auf den Energieverbrauch hat. Als zweites wesentliches Merkmal kann man zwischen der Kommunikation im Nahbereich (bspw. innerhalb einer Wohnung) und der Kommunikation über weitere Entfernungen unterscheiden. Weithin bekannte Technologien sind Bluetooth für den Nahbereich bei eher moderaten Datenraten, bspw. zur Übertragung von Musik, sowie WLAN und Mobilfunk mit ihren immer weiter steigenden Datenraten im Heimnetz bzw. im flächendeckenden Mobilfunknetz.
Mit LPWA kommen jetzt effiziente Lösungen für die Übertragung geringer Datenmengen über weite Strecken hinzu, sodass großflächige derart spezialisierte Funknetze aufgebaut werden können. Wie in der Abbildung dargestellt, bieten LPWA-Techniken eine ganz neue Klasse der Vernetzung, die vor allem für das Internet der Dinge (IoT, Internet of Things) wichtig ist.
LPWA ist kein Internet-Zugang
Die LPWA-Netze bestehen aus dem Funknetz zwischen IoT-Geräten und den sogenannten Gateways, sowie der anschließenden Weiterleitung der Datenflüsse zur eigentlichen Anwendung, innerhalb der die Verarbeitung der Daten erfolgt. Die Kommunikation ist auf zwei Ebenen verschlüsselt, sodass Außenstehende nicht mitlesen können und auch die verschiedenen Anwendungen innerhalb der IoT-Netze voneinander getrennt sind.
Diese Vernetzung von IoT-Geräten unterscheidet sich wesentlich von einem universellen Internetzugang, auch werden bei der Funkübertragung nicht immer IP-Protokolle eingesetzt. Das Ziel von IoT-Netzen ist der effiziente Datentransport auch zwischen leistungsschwachen IoT-Geräten und der Schutz vor Angriffen. Auf der Seite der Anwendung kommen die üblichen IP-Protokolle, Web-Schnittstellen und Softwarearchitekturen zum Einsatz und ermöglichen die effiziente Realisierung neuer IoT-Anwendungen.
Verschiedene IoT-Weitverkehrsnetze verfügbar
Begrenzte Ressourcen führen dazu, dass je nach Anwendungsfall verschiedene Techniken ihre Berechtigung haben. Auch im Bereich LPWA gibt es eine Reihe von Standards, von denen zwei inzwischen breit am Markt verfügbar sind und eine hohe Zukunftssicherheit versprechen. LoRaWAN (Long Range Wide Area Network) beruht auf der proprietären Funkübertragungstechnik LoRa und dem darauf aufbauenden offenen Netzwerkprotokoll LoRaWAN, das von einem Industriekonsortium erarbeitet wurde. Während der notwendige Übertragungs-Chip nur von wenigen Herstellern gefertigt wird, sind von dem Übertragungsprotokoll LoRaWAN auch freie Implementierungen verfügbar. LoRaWAN ist für den Betrieb im lizenzfreien Funkspektrum vorgesehen (in der EU bei 868 MHz). Die LoRaWAN-Technik ermöglicht Datenraten bis zu 50 kbit/s, also nur einen kleinen Bruchteil aktueller WLAN-Standards. Das Spektrum darf zudem aufgrund von Regulierungsauflagen nur zeitlich anteilig genutzt werden. In der Praxis stehen daher Sensornetze als Anwendungsszenario im Mittelpunkt, wobei einzelne Sensorwerte im Minuten- bis Tageszyklus übermittelt werden.
NB-IoT (Narrowband-IoT) ist die Antwort der Mobilfunkbranche und ihres Standardisierungsgremiums 3GPP auf das Aufkommen von IoT-Weitverkehrsnetzen. NB-IoT ist mit Release 13 (LTE advanced) als Teil der Mobilfunk-Protokollfamilie eingeführt worden. Es wird das lizensierte Funkspektrum der Mobilfunkbetreiber genutzt. Auch hier ist die nutzbare Datenrate mit bis zu 250 kbit/s eher gering, allerdings kann durch die exklusive und koordinierte Nutzung des Funkspektrums die Übertragungsqualität gesichert werden. Die Einbettung in die Mobilfunkstandards (LTE, später 5G) führt neben der Mitnutzung vorhandener Infrastruktur auch dazu, dass sich IoT-Kommunikationsmodule wie ein Smartphone mit verschiedenen Mobilfunk-Netztypen verbinden können. Somit ist ein Migrationspfad für vernetzte Produkte verfügbar. Ende 2018 soll NB-IoT in Deutschland und weiteren Ländern Europas flächendeckend verfügbar sein.
Begriffliche Verortung
Unterschiedliche Betreibermodelle schaffen ein flexibles Ökosystem
Mit NB-IoT und LoRaWAN stehen sich zwei zunächst gegensätzliche Betreibermodelle gegenüber: NB-IoT steht für die flächendeckende Versorgung durch einzelne (nationale) Mobilfunkanbieter, während LoRaWAN besonders für den genehmigungsfreien Aufbau von IoT-Inselnetzen geeignet ist. LoRaWAN kann mit „The Things Network" zugleich auch in einer Community-Variante genutzt werden, bei der einzelne private Gateways zu einem großen, gemeinsam nutzbaren Netz verknüpft werden. Die Voraussetzungen dafür sind durch die breite Verfügbarkeit preiswerter Hardware und einfach nutzbarer Software gegeben. Aufgrund des geringen Datenaufkommens einzelner Sensoren im Vergleich zu heutigen Internetanschlüssen und der Begrenztheit des Funkspektrums ist es sinnvoll, dass Gateway- oder Netzbetreiber zugunsten einer besseren Netzabdeckung kooperieren.
Diese unterschiedlichen Betreibermodelle sind eine gute Voraussetzung für Innovation und Wettbewerb im Umfeld der IoT-Vernetzung: NB-IoT zeigt seine Stärke bei der weiten Skalierung von Ideen zu Produkten. LoRaWAN ermöglicht einen unkomplizierten und preiswerten Einstieg in LPWA. Insbesondere im Bildungsbereich kann dies reizvoll sein, da keine Vertragsbindung wie bei der Nutzung von Mobilfunk notwendig ist. Egal ob von Lernenden, einzelnen Tüftlern (s. Autodidaktik) oder ganzen Unternehmen – neue Ideen können unkompliziert ausprobiert werden. Für alle LPWA-Techniken gibt es eine Reihe von Industrieausrüstern mit einem breiten Angebot von Produkten und Diensten.
Themenkonjunkturen
Folgenabschätzung
Möglichkeiten
- Realisierung „smarter" Szenarien und Anwendungen im öffentlichen Raum, in Industrie oder Logistik
- Effiziente Nutzung von Ressourcen, insbesondere Energie und Frequenzspektrum
- Einfach nutzbare Grundlage für Bildung, Lehre und Citizen Science
- Neue Dienste und Märkte für Mobilfunkanbieter
- Flexibilisierung und Diversifizierung des Mobilfunk-Marktes
- Unterstützung der Trends Car-, Bike- oder allgemein Public Sharing
Wagnisse
- Zersplitterung des Marktes durch unterschiedliche Standards
- Verlust von Privatsphäre durch eine Vielzahl eingebetter Sensoren (s. Ambient World)
- Verlust von Kontrolle über Daten durch Funkübertragung
- Überlastung des Funkspektrums
- Eingeschränkte Verfolgbarkeit bei Verletzung der Funkspezifikation
Handlungsräume
Offene IoT-Netze fördern
Beim Thema IoT sollten die Chancen der Digitalisierung im Mittelpunkt stehen und die Verfügbarkeit öffentlicher Infrastrukturen. Das Missbrauchsrisiko bei IoT-Netzen ist aufgrund ihrer sehr geringen Kapazität und ihrer Spezialisierung begrenzt.
Kennzeichnung von Funkschnittstellen
Miniaturisierung und Sparsamkeit werden zukünftig die Integration von IoT-Funkchips in verschiedenste Geräte erlauben. Im Gegensatz zur Mitnutzung von WLAN bspw. durch Smart-TV haben Verbraucher praktisch keine Kontrollmöglichkeiten bzgl. des Datenflusses. Funkschnittstellen in Geräten sollten daher offen dargestellt und klar gekennzeichnet werden, um Irritationen bei Verbrauchern zu vermeiden.
Feingranulare Frequenzregulierung
Industrieunternehmen und Neueinsteiger haben Interesse am Betrieb lokaler 5G-Netze, bei LPWA-Netzen gibt es niedrigere Markteintrittshürden und neue Kooperationsmodelle. Es lässt sich eine Flexibilisierung des Mobilfunkmarkts prognostizieren, die durch eine entsprechend freingranulare und im Idealfall automatisierte Frequenzregulierung unterstützt werden sollte.
Innovations- und Wettbewerbsumfeld beibehalten und ausbauen
Bei LPWA ergeben sich ideale Bedingungen für Innovation und Wettbewerb: Es gibt ganz unterschiedliche Netzbetreibermodelle, die zudem einzellizensierte bzw. allgemeinzugeteilte („freie“) Funkfrequenzen nutzen. Nutzer können so zwischen verschiedenen Angeboten im Hinblick auf Leistungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit auswählen.