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Green IT: Nachhaltige Gestaltung der digitalen Zukunft

Green IT: Nachhaltige Gestaltung der digitalen Zukunft

Gastbeitrag von

Dr. René Birkner ist Referatsleiter IKT und IT-Beauftragter im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz. Dabei ist er für den gesamten IKT-Betrieb des Ministeriums sowie das Management und die Steuerung des IT-Portfolios und der IT-Projekte des Ministeriums und seiner vier nachgeordneten Behörden zuständig. Nachdem er in verschiedenen Rollen bereits seit 2010 die Green-IT-Initiative unterstützt hat, leitet er seit 2021 als IT-Beauftragter des BMUV die Green-IT-Initiative des Bundes.

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Ein Überblick über alle Beiträge dieser Reihe befindet sich hier: Blogreihe Nachhaltigkeit

Was ist Green IT überhaupt?

Green IT umfasst ein breites Spektrum an Maßnahmen, die darauf abzielen, die Umweltauswirkungen der Informationstechnologie (IT) zu minimieren. Während viele Menschen anfangs nur an die Energieeffizienz von Rechenzentren denken, geht es bei Green IT um weit mehr. Es geht auch darum, den gesamten Lebenszyklus von IT zu optimieren. Das schließt nicht nur die Reduzierung des Energieverbrauches ein, sondern auch die Verlängerung der Nutzungsdauer von Geräten, die Verwendung nachhaltiger Materialien bei der Herstellung sowie die umweltgerechte Entsorgung von Elektroschrott.

Neben der Hardware spielen auch Software-Aspekte eine bedeutende Rolle. Effiziente Programmierung und die Nutzung ressourcenschonender Algorithmen können den Energieverbrauch von IT-Systemen erheblich reduzieren und die Nutzungsdauer verlängern. Darüber hinaus ist die Auswahl von Open-Source-Software eine Möglichkeit, die Abhängigkeit von proprietärer Software zu verringern und gleichzeitig die Transparenz und schließlich Nachhaltigkeit der IT-Infrastruktur zu erhöhen. Damit kann nicht nur auf ökologische, sondern auch soziale Ziele eingezahlt werden.

Bei einer strategischen Umsetzung von Green IT sollte nicht nur auf kurzfristige Erfolge und Kosteneinsparungen hin optimiert werden. Es sollte eine logische Reihenfolge der Umsetzung von Verbesserungsmaßnahmen gewählt werden, die Pfadabhängigkeiten berücksichtigt und langfristig den höchsten ökologischen Mehrwert schafft. Dazu gehören Maßnahmen wie die Messung, Bewertung und Optimierung der Umweltauswirkungen von IT-Systemen sowie die Priorisierung nach höchstem Wirkungsgrad.

Dieses strategische Vorgehen erlaubt es der Green-IT-Initiative des Bundes, nicht nur ihre ökologische Verantwortung wahrzunehmen, sondern auch langfristig Kosten für die Bundesverwaltung zu senken und ihre Resilienz zu stärken. Darüber hinaus können die Maßnahmen ebenfalls zur Erhöhung der IT-Sicherheit und -Resilienz beitragen. Energieeffiziente Hardware reduziert beispielsweise nicht nur den Energieverbrauch und die Wärmeentwicklung, sondern verringert auch das Risiko von Hardwareausfällen und erhöht damit die Verfügbarkeit der Systeme. Die Nutzung von Cloud Computing ermöglicht es Organisationen, auf hochmoderne Sicherheitstechnologien zuzugreifen, die von Cloud-Anbietern bereitgestellt werden, was die Sicherheit der Daten und Anwendungen verbessert und gleichzeitig die Resilienz gegenüber Ausfällen erhöht. Durch effizientes Datenmanagement und das Löschen unnötiger Daten können Unternehmen potenzielle Angriffsflächen reduzieren und die Sicherheit ihrer IT-Systeme stärken, während ökologisch nachhaltige Praktiken oft auch zu einer besseren Einhaltung von Sicherheitsstandards beitragen. Durch eine ganzheitliche Betrachtung von Green IT können so Effizienzgewinne und gleichzeitig positive Umweltauswirkungen erzielt werden.

Was sind aktuelle Herausforderungen im Bereich Green IT?

Die Implementierung von Green IT ist mit einigen Herausforderungen verbunden. Besonders wichtig ist es, bei allen Beteiligten ein Verständnis über Notwendigkeit und Nutzen von Green IT zu etablieren. Nur wenn die Bereitschaft besteht, die üblichen Pfade zu verlassen und sich für neue Wege zu öffnen, kann der notwendige ökologische Umbau vollzogen werden. Um dieses Verständnis zu fördern, bedarf es umfassender Weiterbildungen und Sensibilisierungen. Es ist entscheidend, den Verantwortlichen die Vorteile und langfristigen Auswirkungen von Green IT aufzuzeigen. Dies kann durch Schulungen, Workshops und regelmäßige Kommunikation erfolgen. Darüber hinaus müssen Anreize geschaffen werden, damit Verantwortliche aktiv am Umweltschutz teilnehmen und innovative Ideen einbringen. Letztendlich liegt es an den Führungskräften, eine Kultur des Umweltbewusstseins zu fördern und ein positives Beispiel zu setzen, um die Akzeptanz und Umsetzung von Green IT zu gewährleisten.

Um fundierte Entscheidungen treffen zu können, braucht es Transparenz. Die Erfassung und Analyse von Umweltdaten sind oft komplex und erfordern eine enge Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Abteilungen und Verantwortlichen in der Behörde und den Unternehmen. Eine effektive Möglichkeit, Transparenz zu schaffen, besteht darin, klare Richtlinien und Standards für die Datenerfassung und -berichterstattung zu entwickeln. Dies ermöglicht eine einheitliche Erfassung und Vergleichbarkeit der Umweltdaten. Zudem ist offene Kommunikation zwischen Behörden, Unternehmen und anderen relevanten Akteuren entscheidend, um Daten zu teilen und gemeinsame Ziele zu definieren. Durch die Zusammenarbeit können potenzielle Hindernisse identifiziert und gemeinsam Lösungen erarbeitet werden, um die Datenerfassung und -analyse zu verbessern. Letztendlich trägt eine transparente Datenbasis dazu bei, fundierte Entscheidungen zu treffen und die Wirksamkeit von Umweltschutzmaßnahmen zu maximieren.

In einigen Fällen sind auch technische Herausforderungen zu bewältigen, wie etwa die Modernisierung bestehender Infrastrukturen. Nicht alle Rechenzentren lassen sich problemlos auf den neuesten Stand bringen, sei es aus baulichen Gründen oder aufgrund von finanziellen Beschränkungen. Die Modernisierung von Rechenzentren kann eine komplexe Aufgabe sein, die sorgfältige Planung und Ressourcen erfordert. In solchen Fällen ist es wichtig, eine umfassende Bewertung der bestehenden Infrastruktur durchzuführen, um potenzielle Hindernisse und Engpässe zu identifizieren. Möglicherweise sind alternative Lösungen erforderlich, wie beispielsweise die Konsolidierung von Servern oder die Implementierung von Virtualisierungstechnologien, um die Effizienz zu steigern und Ressourcen zu optimieren. Darüber hinaus können Investitionen in energiesparende Hardware und effiziente Kühlungssysteme dazu beitragen, die Umweltauswirkungen zu reduzieren und die Betriebskosten langfristig zu senken. Letztendlich erfordert die Modernisierung von Rechenzentren eine ganzheitliche Herangehensweise, die technische, finanzielle und ökologische Aspekte berücksichtigt.

Was ist die Green-IT-Initiative des Bundes?

Die Green-IT-Initiative des Bundes ist im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) angesiedelt und wurde 2008 ins Leben gerufen. Ihr Ziel ist es, die Bundes-IT nachhaltiger zu gestalten und den Energieverbrauch der Bundesverwaltung um mindestens 40 Prozent zu senken. Um bei der Umsetzung von Maßnahmen zur Zielerreichung zu unterstützen, wurde die Projektgruppe »Green-IT« gegründet, die sich aus Vertreter:innen aller Bundesressorts zusammensetzt. Grundlegend für die Ermittlung der Einsparpotentiale war die Etablierung und Ausgestaltung eines Berichtswesens zur Ermittlung der Energieverbräuche in der Bundesverwaltung. Die Datenerhebung hierzu erfolgt seit 2009 jährlich. Die Ziele der Initiative werden stetig in Zusammenarbeit mit den Ressorts aktualisiert und daraus Maßnahmen abgeleitet. Zuletzt fokussierten sich die Ziele auf die Verbesserung der Energieeffizienz in Rechenzentren, da diese einen enormen und durch fortschreitende Digitalisierung kontinuierlich steigenden Energiebedarf aufweisen. Als Orientierung für eine Gestaltung von Green IT in Rechenzentren wird das Umweltzeichen des Bundes, der Blaue Engel, genutzt.

Wofür gibt es die Green-IT-Initiative des Bundes?

Im Kampf gegen den Klimawandel hat sich die Bundesregierung ambitionierte Ziele gesetzt: Das Klimaschutzgesetz sieht vor, bis 2045 Treibhausgasneutralität in Deutschland zu erreichen. Die Bundesverwaltung soll dabei eine Vorbildrolle einnehmen und schon bis 2030 klimaneutral sein. Zur Erreichung dieses Zieles muss jedes Ressort seinen Beitrag leisten. Dies ist jedoch mit vielen Herausforderungen verbunden, unter anderem begrenzte Ressourcen und Kapazitäten. Die Green-IT-Initiative des Bundes unterstützt an diesen Stellen und koordiniert in ihrer Geschäftsstelle das ressortübergreifende Vorgehen zur Zielerreichung. Zudem soll der Einfluss der öffentlichen Hand auf den Markt genutzt werden: Das jährliche Einkaufsvolumen von Bund, Ländern und Kommunen ist enorm und kann den Markt mit geeigneten Nachhaltigkeitskriterien bei Ausschreibungen dazu bewegen, ihre Produkte entsprechend herzustellen und anzubieten.

Was hat die Green-IT-Initiative des Bundes bisher erreicht?

Die Initiative kann bisher einige Erfolge verbuchen: Seit ihrer Gründung konnte der Energieverbrauch der Bundes-IT um bis zu 49% gesenkt werden, seit 2017 liegt er stetig unter dem Zielwert von 350GWh, trotz gestiegenen Anforderungen an die IT in den Behörden.

Abbildung 1: Entwicklung des Energieverbrauchs der Bundes-IT in den letzten Jahren (Grafik: BMUV)

Die Geschäftsstelle »Green IT« hat thematische Workshops mit den Fachbereichen anderer Ressorts durchgeführt. Erarbeitet wurden Ideen und Lösungsvorschläge zu unterschiedlichen Themenfeldern, wie bspw. für nachhaltige IT-Arbeitsplätze, zu Kennzahlen für ein Berichtswesen zum Energieverbrauch und zu Anforderungen an nachhaltige Rechenzentren. Aus den Workshops sind konkrete Handlungsempfehlungen entstanden. Beispielsweise wurde eine Umfrage zum Umsetzungstand der Anforderungen des Blauen Engels für Rechenzentren gestartet, um gezielte Hilfe bei der Umsetzung anbieten zu können. Ziel ist die Zertifizierung möglichst aller Rechenzentren des Bundes mit einer IT-Anschlussleistung über 100 kW. Daraufhin fanden Einzelgespräche zu konkreten Fragestellungen statt. Für das Ziel, die Lebensdauer der IT zu verlängern und somit einen konkreten Beitrag zum Klimaschutz zu leisten, wurden Rahmenbedingungen geschaffen, die es erleichtern sollen, ausgesonderte IT aus den Behörden für eine weitere Nutzung anzubieten. Hierfür hat die zentrale Beschaffungsstelle des Bundes einen Rahmenvertrag mit einem Refurbish-Unternehmen abgeschlossen, der jeder Behörde des Bundes zur Verfügung steht.

Darüber hinaus konnte die Green-IT-Initiative des Bundes sich durch die Teilnahme an Veranstaltungen und Formaten ein Netzwerk aus Expert:innen aufbauen, wodurch ein konstruktiver Fachaustausch hinsichtlich der Ziele und des weiteren Vorgehens der Initiative gewährleistet wird. Der Erfolg sowie die Notwendigkeit der Initiative wurden mit der Verlängerung durch das politisch-strategische Steuerungsgremium für die Verwaltungsdigitalisierung, den IT-Rat, in den Jahren 2013, 2017 sowie zuletzt 2022 um fünf weitere Jahre bestätigt.

Wie geht es weiter mit der Green IT in der Bundesverwaltung?

Die Green-IT-Initiative des Bundes sieht eine kontinuierliche Weiterentwicklung und Optimierung vor. Aktuell werden die Berichtsmechanismen überarbeitet, um die Erfassung und Bereitstellung von Umweltdaten zu verbessern. Darüber hinaus wird die Evaluation für die Zertifizierung mit dem Blauen Engel für Rechenzentren abgeschlossen, was weitere Maßnahmen zur Verbesserung der Umweltbilanz ermöglichen wird.

Ein im Aufbau befindliches Vorhaben ist die Entwicklung eines umfassenden Ausstattungskonzeptes für IT-Büroausstattung, das nicht nur den modernen Arbeitsanforderungen gerecht wird, sondern auch Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigt. Diese Maßnahmen sind Teil einer langfristigen Strategie, um sicherzustellen, dass die IT-Infrastruktur des Bundes nicht nur effizient und leistungsfähig ist, sondern auch den höchsten Standards in puncto Umweltschutz und Nachhaltigkeit entspricht.

Green IT ist eine Daueraufgabe. Wenn nicht kontinuierlich die Umweltdaten der IT überwacht und optimiert werden, sei es auf der lokalen Ebene, also der IT einer Behörde oder eines Unternehmens oder auf übergeordneten Ebenen, wie der IT der Bundesverwaltung, besteht immer die Gefahr, dass erreichte Erfolge und Effizienz durch die steigende Digitalisierung wieder verloren gehen.

Weiterführendes von ÖFIT:

Nachhaltigkeitscanvas interaktiv

Das Nachhaltigkeitscanvas gibt es nun auch als kostenloses, interaktives Onlinetool! Das von ÖFIT 2023 im White Paper »Wertebasierte Digitalisierung für nachhaltige Entwicklung im öffentlichen Sektor« entwickelte Canvas ermöglicht die Einschätzung von geplanten oder sich in Entwicklung befindlichen Digitalisierungsprojekten des öffentlichen Sektors auf ganzheitliche Nachhaltigkeitsaspekte.

Trendthema: Grüne Software

Software ist die Seele von Computern. Sie steuert Prozesse, dient zur Kommunikation und ermöglicht die Schaffung der vielseitigsten Werkzeuge unserer Zeit. Auch wenn Software immateriell ist, hat ihr Betrieb reale Kosten über die Lizenzgebühren hinaus: den Stromverbrauch, der je nach Programmierung unterschiedlich ausfallen kann, und die Rohstoffe für die Hardware, auf der die Software ausgeführt wird. Digitalisierung bietet so nicht nur einen wichtigen Lösungsbaustein für eine nachhaltige Lebensweise, mit dem rasant ansteigenden Einsatz digitaler Anwendungen explodiert auch deren Ressourcenverbrauch. Software ist Lösungsbaustein und Teil des Problems zugleich. Kann Software so gestaltet werden, dass sie ressourceneffizient und nachhaltig ist?

Ein Open-Source-Ökosystem für die öffentliche Verwaltung

Wie kann ein nachhaltiges Ökosystem zwischen Open-Source-Software, staatlicher Finanzierung und Einflussnahme sowie Akteur:innen aus Wirtschaft und Zivilgesellschaft aussehen? Um diese Frage zu beantworten, haben wir bestehende Literatur ausgewertet und Expert:innen befragt. In der Publikation wird ein praktischer Vorschlag skizziert, wie etablierte Open-Source-Strukturen mit der öffentlichen Verwaltung verknüpft werden können. Ergebnis ist ein Netzwerk aus Rollen und deren Beziehungen zueinander, welche ein solches ideelles Ökosystem beschreibt. Anhand verwaltungsspezifischer Anwendungsszenarien wird gezeigt, wie die Verwaltung eigene Interessen in der Open-Source-Gemeinschaft vertritt, neue Codebases für eigene Bedarfe initiiert oder Inkubatorin für potentielle Startups wird.


Veröffentlicht: 04.09.2024