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Werbeblocker

  Bibliographische Angaben

Werbeblocker

Autorinnen / Autoren:
Nicole Opiela
Zuletzt bearbeitet:
Jul 2016
Titel:
Werbeblocker
Trendthema Nummer:
35
Herausgeber:
Kompetenzzentrum Öffentliche IT
Titel der Gesamtausgabe
ÖFIT-Trendschau: Öffentliche Informationstechnologie in der digitalisierten Gesellschaft
Erscheinungsort:
Berlin
Autorinnen und Autoren der Gesamtausgabe:
Mike Weber, Stephan Gauch, Faruch Amini, Tristan Kaiser, Jens Tiemann, Carsten Schmoll, Lutz Henckel, Gabriele Goldacker, Petra Hoepner, Nadja Menz, Maximilian Schmidt, Michael Stemmer, Florian Weigand, Christian Welzel, Jonas Pattberg, Nicole Opiela, Florian Friederici, Jan Gottschick, Jan Dennis Gumz, Fabian Manzke, Rudolf Roth, Dorian Grosch, Maximilian Gahntz, Hannes Wünsche, Simon Sebastian Hunt, Fabian Kirstein, Dunja Nofal, Basanta Thapa, Hüseyin Ugur Sagkal, Dorian Wachsmann, Michael Rothe, Oliver Schmidt, Jens Fromm
URL:
https://www.oeffentliche-it.de/-/werbeblocker
ISBN:
978-3-9816025-2-4
Lizenz:
Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (CC BY 3.0 DE) http://creativecommons.org/licenses/by/3.0 de/legalcode. Bedingung für die Nutzung des Werkes ist die Angabe der Namen der Autoren und Herausgeber.

Werbeblocker ermöglichen ein Surfvergnügen ohne lästige Werbeeinblendungen – und greifen damit das vorherrschende Geschäftsmodell im Netz an. Sie rütteln an den Grundfesten der Bereitstellung von Online-Inhalten und haben dadurch das Potenzial, die wirtschaftlichen Machtverhältnisse zu verändern. Kleine Programme, große Wirkung: Werden werbefinanzierte Angebote durch kostenpflichtige Inhalte ersetzt werden? Oder in Walled Gardens ausweichen? Läuten Werbeblocker so das Ende des offenen und unabhängigen Internets ein oder beginnt damit eine Ära nachhaltiger, akzeptierter Geschäftsmodelle?

Auf dem Weg zum Massenphänomen

Rund 90 Prozent des online gestellten Informationsangebots ist werbefinanziert. Die Folgen sind also sehr weitreichend, wenn Werbung blockiert wird. Schätzungen gehen davon aus, dass Werbeblocker, eine Software, die Online-Werbung erkennt und filtert, sodass die Webseiten-Inhalte ohne (störende) Werbeeinblendungen genutzt werden können, die Weltwirtschaft im Jahr 2015 rund 22 Milliarden Euro gekostet haben. Dagegen wehren sich Webseitenbetreiber zunehmend mit Anti-Werbeblocker-Techniken und durch Gerichtsverfahren. Trotzdem befinden sich Werbeblocker weiterhin auf Erfolgskurs. Ihre hohe Popularität beruht auf der starken Zunahme von störenden Werbeeinblendungen und dem zunehmenden Tracking und Profiling der Nutzer (siehe Digitale Unversehrtheit). Erschwerend kommt hinzu, dass Werbung auch ein Einfallstor für Schadsoftware sein kann, sogenanntes Malvertising.

Laut einer im September 2015 veröffentlichten Studie von Sourcepoint und comScore haben in Deutschland rund 24 Prozent der Nutzer von Desktopcomputern einen Werbeblocker installiert. Bei mobilen Geräten liegt die Quote demnach bislang nur bei 0,5 Prozent. Begünstigt durch die Fähigkeiten neuer Betriebssystemversionen erleben mobile Werbeblocker jedoch gerade einen regelrechten Boom. Mit dem Durchbruch auf dem mobilen Markt könnten Werbeblocker endgültig zum Massenphänomen werden. Oft wird behauptet, Nutzer von Werbefiltern würden gegen einen ungeschriebenen Vertrag verstoßen: die Anzeige von Werbung gegen die Nutzung des Online-Angebots. Allerdings kennt der Nutzer den »Preis« für den Besuch einer bestimmten Webseite nicht. Das Blockieren der Werbung verhindert einerseits die Belästigung durch unerwünschte Werbung, andererseits dient es dem Schutz der Privatsphäre, da das Online-Verhalten des Nutzers nicht mehr ohne dessen Wissen oder Einverständnis durch die Werbetreibenden verfolgt und ausgewertet werden kann.

Umdenken in der Werbebranche?

Online-Werbung stößt nicht nur auf Ablehnung: Nur rund ein Fünftel der Befragten sprach sich laut einer Benutzerumfrage von Adblock Plus konsequent gegen jede Art von Online-Werbung aus. Die Mehrheit ist hingegen bereit, Werbung zu akzeptieren, wenn sie bestimmten Grundsätzen entspricht, um im Gegenzug Online-Angebote weiterhin kostenfrei nutzen zu können. Die massive Verbreitung von Werbeblockern könnte zu einem Umdenken in der Werbebranche führen, weniger störende und qualitativ hochwertigere Werbung zu produzieren. Auf diese Weise könnten die Werbetreibenden zu einem gemeinsamen Verständnis mit den Nutzern über Best Practices beitragen und sich ggf. im Rahmen der Selbstregulierung (siehe Selbstorganisation) auf diese verpflichten. Ansätze hierfür gibt es bereits, Ansätze sie zu unterlaufen ebenfalls: bei Native Advertising werden Werbebotschaften in informative Beiträge integriert. Weil sie vom eigentlichen Inhalt der Webseite nicht zu unterscheiden sind, können sie auch kaum blockiert werden. Gleichzeitig wird es aber auch für die Nutzer schwieriger, redaktionelle Inhalte von Werbung zu unterscheiden. So könnten sie in Zukunft häufiger durch Inhalte getäuscht werden, die unternehmerischen Interessen dienen, ohne dass erkenntlich wäre, dass es sich nicht um eine neutrale und objektive Darstellung handelt.

Auch einige Netzwerkbetreiber erwägen, Werbung in ihren Netzen pauschal zu blockieren, um Druck auf die Werbeunternehmen auszuüben, an deren Einnahmen beteiligt zu werden. Unternehmen, die sich dem Druck beugen, werden auf eine Whitelist gesetzt. Manche Anbieter von Werbeblockern sehen Whitelists ebenfalls als lukrative Einnahmequelle: Unternehmen müssen sich auf bestimmte Werberichtlinien verpflichten und einen Teil ihrer Einnahmen abtreten, damit ihre Werbung nicht mehr blockiert wird. Finanzstarke Unternehmen können ihrer Werbung so eine bessere Position mit deutlich weniger Konkurrenz erkaufen. Die Praktik des bezahlten Whitelistings eines der führenden Anbieter von Werbeblockern ist im Juni 2016 in zweiter Instanz als unlauterer Wettbewerb eingestuft worden. Eine Revision des Urteils steht noch aus. Blockiert der Netzbetreiber, stellt sich zudem die Frage der Netzneutralität.

Begriffliche Verortung

Netzwerkartige Verortung des Themenfeldes
Gesellschaftliche und wissenschaftliche Verortung

Flucht in Walled Gardens?

In sozialen Netzen oder Apps kann Werbung häufig nicht blockiert werden. Dies ermöglicht es den Betreibern dieser Angebote, einen immer größeren Anteil des Online-Werbemarktes an sich zu ziehen und somit noch mehr Informationen über ihre Nutzer zu erhalten, was datenschutzrechtlich bedenklich ist. Gleichzeitig müssen sich Anbieter von Online-Inhalten zunehmend nach alternativen Einnahmequellen umsehen. Mehr und mehr Webseitenbetreiber bieten daher ihre Inhalte auf sozialen Plattformen an und gelangen auf diese Weise in eine Abhängigkeit. Sogenannte Walled Gardens entstehen, in denen die Plattformbetreiber kontrollieren, welche Inhalte die Nutzer zu sehen bekommen und welche nicht. Diese Zutrittsbarrieren können die Meinungsvielfalt beinträchtigen, während die Konsolidierung und Aufspaltung des Internets in geschlossene Systeme weiter voranschreitet. Obwohl der Aufstieg geschlossener Plattformen bereits seit längerem zu beobachten ist, erhält er durch die Nutzung von Werbeblockern neuen Aufwind.

Webseitenbetreiber experimentieren zunehmend mit alternativen Geschäftsmodellen wie Spendenaufrufen, Paywalls oder der Möglichkeit zur Teilnahme an kurzen Marktforschungsumfragen. Die Nutzer entscheiden selbst, in welcher Form sie für die Inhalte bezahlen möchten und erhalten so Wahlmöglichkeiten. Zudem wird eine größere Selbstbestimmung über die Nutzung und Weiterverarbeitung der eigenen Daten ermöglicht. Obwohl Bezahlsysteme sicherlich nicht für alle Webseiten eine gangbare Option sind, bieten solche Community-Lösungen Chancen für neue Geschäftsmodelle; zum Beispiel für Betreiber von Plattformen, die Mikropayment oder andere nutzerfreundliche Bezahlmethoden anbieten (siehe Mobile Money und Kryptowährung). Die Phase der Innovation und des Experimentierens mit alternativen Geschäftsmodellen im Netz hat gerade erst begonnen.

Themenkonjunkturen

Suchanfragen und Zugriffe auf Wikipedia-Artikel
Wissenschaftliche Publikationen und Patentanmeldungen

Folgenabschätzung

Möglichkeiten

  • Stärkung der Nutzerrechte durch Wahlmöglichkeiten
  • Höherer Datenschutz und Sicherheit
  • Alternative Geschäftsmodelle und wirtschaftliche Chancen
  • Nutzerfreundlichere Werbekonzepte
  • Nachhaltige Geschäftsmodelle

Wagnisse

  • Abnahme werbefinanzierter Onlineangebote mit möglichen Folgen für die Meinungsvielfalt (siehe Massenmedien)
  • Beschleunigung der Aufspaltung des Internets in Walled Gardens, wodurch Markteintrittsbarrieren erhöht werden
  • Aufweichung der Grenzen zwischen Werbung und Inhalten
  • Einschränkung der Netzneutralität

Handlungsräume

Verbraucherschutz

Um Nutzer besser vor unerwünschtem Tracking und Profiling durch Werbung zu schützen, muss Transparenz geschaffen werden, von wem und in welchem Ausmaß das Online-Verhalten verfolgt wird. In Anlehnung an die sogenannte Cookie-Richtlinie könnten Webseitenbetreiber dazu verpflichtet werden, den Nutzer darüber zu informieren, welche Unternehmen Tracking-Tools auf der jeweiligen Seite betreiben.

Selbstregulierung

Nicht jeder Aspekt marktwirtschaftlicher Beziehungen bedarf einer staatlich-hoheitlichen Regelung. Die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle und das Entstehen von Best Practices für Online-Werbung sind Beispiele für Innovation und Flexibilität der Internet- und Werbewirtschaft in Reaktion auf die Präferenzen und das Verhalten der Nutzer. Dieser Prozess kann von staatlicher Seite begleitet und ggf. moderiert werden.

 

Netzneutralität

Werden Werbeblocker und Whitelists von Netzwerkbetreibern eingesetzt, stellt dies die Netzneutralität infrage. Hier bedarf es einer öffentlichen Debatte, ob eine Einschränkung der Netzneutralität in Einzelfällen erlaubt werden sollte, wenn die dadurch erzielten Mehreinnahmen für den weiteren Netzausbau, z. B. in ländlichen Regionen, verwendet werden und es Ausgleichsregelungen für kleinere Unternehmen gibt, um diese nicht über Gebühr zu belasten.