Mensch-Maschine-Interaktion
Mensch-Maschine-Interaktion
- Autorinnen / Autoren:
- Jens Tiemann
- Zuletzt bearbeitet:
- Juli 2016
- Titel:
- Mensch-Maschine-Interaktion
- Trendthema Nummer:
- 26
- Herausgeber:
- Kompetenzzentrum Öffentliche IT
- Titel der Gesamtausgabe
- ÖFIT-Trendschau: Öffentliche Informationstechnologie in der digitalisierten Gesellschaft
- Erscheinungsort:
- Berlin
- Autorinnen und Autoren der Gesamtausgabe:
- Mike Weber, Stephan Gauch, Faruch Amini, Tristan Kaiser, Jens Tiemann, Carsten Schmoll, Lutz Henckel, Gabriele Goldacker, Petra Hoepner, Nadja Menz, Maximilian Schmidt, Michael Stemmer, Florian Weigand, Christian Welzel, Jonas Pattberg, Nicole Opiela, Florian Friederici, Jan Gottschick, Jan Dennis Gumz, Fabian Manzke, Rudolf Roth, Dorian Grosch, Maximilian Gahntz, Hannes Wünsche, Simon Sebastian Hunt, Fabian Kirstein, Dunja Nofal, Basanta Thapa, Hüseyin Ugur Sagkal, Dorian Wachsmann, Michael Rothe, Oliver Schmidt, Jens Fromm
- URL:
- https://www.oeffentliche-it.de/-/mensch-maschine-interaktion
- ISBN:
- 978-3-9816025-2-4
- Lizenz:
- Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (CC BY 3.0 DE) http://creativecommons.org/licenses/by/3.0 de/legalcode. Bedingung für die Nutzung des Werkes ist die Angabe der Namen der Autoren und Herausgeber.
Je komplexer und personenbezogener eine maschinelle Unterstützung ausfällt, desto wichtiger wird die zielführende Interaktion zwischen Mensch und Maschine. Dazu können diese Maschinen direkt gesteuert werden oder sie erfassen automatisch Situationen und menschliche Bedürfnisse. Digitale Assistenzsysteme oder eingebettete Systeme lassen sich durch neue Schnittstellen oder Sensoren intuitiv nutzen und ermöglichen so den Zugang zu neuen Technologien. Wie in jeder Kommunikationsbeziehung besteht die Gefahr von Missverständnissen oder der Überforderung des Kommunikationspartners – sei es der Mensch oder die Maschine.
Entwicklung von Maschinen in unserem Lebensumfeld
Der Begriff »Mensch-Maschine Interaktion« hat sich zur Beschreibung der Bedienungs- und Kommunikationsprozesse zwischen menschlichen Nutzern und automatisierten Systemen seit langem etabliert – auch wenn es heute eher selten um »Maschinen« im traditionellen Wortsinn geht. Heute umgeben uns digitale Systeme in fast allen Lebenslagen und übernehmen sichtbar oder unbemerkt Aufgaben für einzelne Menschen und ihre Bedürfnisse (siehe Ambient World). Dies beginnt bei Kontaktschleifen für bedarfsgesteuerte Ampeln und endet derzeit bei Hilfsmitteln für Sinnesorgane, wie die Realität erweiternde oder ersetzende Brillen. Die Bedienkonzepte fallen entsprechend unterschiedlich aus, wie das Beispiel Automobil zeigt. Navigations- und Infotainmentsysteme bieten – ähnlich Smartphones – inzwischen hochentwickelte Bedienkonzepte. Sie lassen sich mit intuitiven Fingergesten oder mit der Stimme gezielt steuern. Im Gegensatz dazu findet man im Kernbereich des Fahrens die klassischen Bedienelemente weitgehend unverändert vor, auch wenn sie inzwischen mit zahlreichen Assistenzsystemen gekoppelt sind. Immer mehr verbaute Sensoren und Aktoren erlauben nahezu beliebige Abstufungen in der Autonomie der Systeme, wobei Notfallsysteme schon heute verbreitete Beispiele für notwendiger Weise autonome Entscheidungen darstellen (siehe Autonomes Fahren).
In Forschungslaboren werden aktuell eine Reihe von neuartigen Schnittstellen entwickelt und zur kommerziellen Serienreife gebracht, die der Interaktion zwischen Mensch und Maschine auch durch kleine Veränderungen eine neue Qualität verleihen können. Bei der direkten Bedienung ist beispielsweise das haptische Feedback interessant. Es erlaubt, auf scheinbar glatten Touchscreen-Oberflächen dynamisch änderbare Strukturen zu fühlen und damit die Eingabe noch einfacher und intuitiver zu gestalten. Head-up-Displays und Datenbrillen sind bereits länger bekannte Beispiele, aber erst technologische Fortschritte lassen diese Konzepte für breite Anwendungsfelder wirtschaftlich werden. Neuroheadsets zur Aufnahme von Gehirnströmen sind derzeit noch den einfachen Körpersensoren (vergleichbar mit Pulssensoren etwa in Wearables) zuzurechnen, Ansätze zur Steuerung mittels Gedanken werden schon demonstriert. Die Kombination verschiedener Sensoren ermöglicht eine genauere Erfassung von komplexen und mitunter auch von nicht direkt beobachtbaren Phänomenen; die Messpunkte solch virtueller Sensoren ergeben sich aus der Kombination anderer Sensordaten.
Begriffliche Verortung
Erweiterung unserer Realität
In Summe erweitern die neuen Technologien die Sinne sowie den Informations- und Handlungshorizont des Nutzers. Konzepte der erweiterten Realität ergänzen Informationen oder Erlebnisse zur realen Umwelt, um so den Nutzer umfassendere und anschaulichere Informationen darzustellen und erlebbar zu machen (siehe Immersion). Die Smartphone- App zur Identifikation von Sternbildern am Nachthimmel mag hier noch als Spielerei angesehen werden, Beispiele wie die Unterstützung von Montagearbeiten und Operationen mittels Datenbrille verweisen auf zukünftiges Potenzial. Dabei ist der Übergang zum Konzept der virtuellen Realität fließend. Je mehr virtuelle Wahrnehmungsbausteine hinzukommen, desto stärker bewegt sich ein Nutzer in einer künstlich generierten Welt, die in der Regel auf Modellen der realen Umwelt basiert – aber auch ohne Entsprechung in einer bis dahin bekannten Realität sein kann.
Visuelle Interaktion benötigt vergleichsweise hohe Datenraten, die über entsprechende Schnittstellen und – möglicherweise drahtlose – Datennetze übertragen werden müssen. Für zukünftige Kommunikationsnetze ist vor allem eine hochqualitative Übertragung mit einer kurzen Reaktionszeit zwischen Ein- und Ausgabe eine Herausforderung, um eine als natürlich empfundene Interaktion zu ermöglichen. Zur Unterstützung durch weitere Sinne ist die Synchronität von visuellen Ereignissen und – beispielsweise – akustischen oder taktilen Rückmeldungen erforderlich. Die Schaffung reichhaltiger, multimodaler Schnittstellen postuliert dabei zugleich das Versprechen einer vereinfachten und barrierefreien Nutzung von Systemen (siehe Usability).
Interaktion wird abstrakter und indirekter
Neben der direkten, befehlsartigen Kommunikation zwischen Mensch und Maschine wird die Interaktion in Zukunft abstrakter und indirekter. Um den vollen Funktionsumfang von komplexen, automatisierten Systemen nutzen zu können, ist eine entsprechend leistungsfähige Kommunikation notwendig. Zur Beherrschung der Komplexität wird die Erkennung von Semantik wichtiger, damit Nutzer mit Maschinen auf Basis abstrakter Konzepte kommunizieren können. Sensoren und weitere Informationsquellen tragen dazu bei, dass Maschinen zudem ein eigenes unabhängiges und umfassendes Bild von ihrer Umwelt und Einsatzanforderungen aufbauen können (siehe Denkende Maschinen).
Das umfassende Bild der Umwelt wird auch von Maschinen benötigt, die indirekt mit Menschen kommunizieren können müssen. Das reicht von der Erkennung von Handzeichen im Verkehr durch autonom fahrende Automobile bis zu Robotern, die in der Pflege oder in einer Fertigung direkt und nahtlos mit Menschen zusammen arbeiten. Informationen aus verschiedenen Quellen helfen einem System dabei, zuverlässig die richtigen Entscheidungen zu treffen. Zu viele Informationen können aber auch Mensch oder Maschine überfordern, da sie die Komplexität der Entscheidungsfindung erhöhen. Im Idealfall trägt das Design der Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine dazu bei, die Stärken der unterschiedlichen Kommunikationspartner zu unterstützen.
Themenkonjunkturen
Folgenabschätzung
Möglichkeiten
- Intuitive Bedienung komplexer Maschinen und Beherrschung komplexer Situationen
- Anpassung von Maschinen an menschliche Gewohnheiten und Bedürfnisse
- Barrierefreiheit und vereinfachter Zugang zu Innovationen
- Erweiterung des Erlebnis- und Handlungsfeldes; auch in virtuellen Räumen
- Erweiterung des menschlichen Ausdrucksvermögens und damit Bereicherung der Kultur
Wagnisse
- Überwachungsmöglichkeiten durch enge Kopplung mit Sensoren
- Naive Bedienung von wirkmächtigen Maschinen
- Beeinträchtigung menschlicher Intuition in der physischen Umwelt
- Missverständnisse zwischen Mensch und Maschine
- Fragen von Haftung und Verantwortung bei schwerwiegenden Unfällen
- Beschränkung auf einen vereinfachten Satz von Interaktionsmustern
- Bevormundung durch autonom intervenierende Systeme
Handlungsräume
Technikverständnis fördern
Je einfacher und intuitiver Bedienkonzepte werden, desto bedeutsamer wird ein grundlegendes Verständnis von Technik und Systemeigenschaften samt ihrer Grenzen. Das umfasst insbesondere die Kenntnis von technischen Beschränkungen, wie auch von Möglichkeiten zur bewussten Begrenzung.
Abschätzung gesellschaftlicher Auswirkungen
Die zunehmende Digitalisierung und Virtualisierung menschlicher Handlungsräume erfordert ein tiefgreifendes Verständnis zur Beherrschung der Technik sowie eine sorgfältige Folgenabschätzung zur frühen Begegnung unerwünschter gesellschaftlicher Folgen.
Interdisziplinäre Gestaltung neuer Schnittstellen
Die Vielzahl neuer Möglichkeiten zur Ausgestaltung von Schnittstellen zwischen Mensch und Technik eröffnet die Chance zur interdisziplinären Ausgestaltung. So können technische Systeme interkulturell offen gestaltet und die Lösungen dem individuellen Kontext genau angepasst werden.