Vorstellung des Deutschland-Index der Digitalisierung 2021
Vorstellung des Deutschland-Index der Digitalisierung 2021: »Digitalisierung in Deutschland – das Zeitfenster nutzen«
06.05.2021, 15-16:30 Uhr
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Am 06. Mai 2021 stellte das Kompetenzzentrum Öffentliche IT (ÖFIT) den Deutschland-Index der Digitalisierung 2021 vor. Der Schwerpunkt der alle zwei Jahre erscheinenden Studie lag diesmal auf dem aktuellen Stand und der Entwicklung der Digitalisierung von Staat und Verwaltung insbesondere auf kommunaler Ebene.
Nach einer Begrüßung und einleitenden Worten durch ÖFIT-Leiter Prof. Dr. Peter Parycek eröffnete Dr. Markus Richter, Staatssekretär im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, die Veranstaltung mit einem Impulsvortrag zu den Ergebnissen des Deutschland-Index. In dem anschließenden Vortrag tauchten die Mitautor:innen der Studie Ines Hölscher und Dr. Mike Weber in die Zahlen und Phänomene des Deutschland-Index ein. Im Anschluss wurden die Ergebnisse in einer Podiumsdiskussion mit weiteren Expert:innen eingeordnet und diskutiert. Dr. Annette Schmidt (Präsidentin der FITKO), Christian Pfromm (CDO der Freien und Hansestadt Hamburg), Marc Groß (Programmbereichsleiter Organisations- und Informationsmanagement bei der KGSt) beleuchteten die Ergebnisse aus ihren unterschiedlichen Perspektiven und zogen jeweils Schlüsse für die digitale Zukunft der Bundesrepublik.
Prof. Dr. Peter Parycek gab während einer kurzen Begrüßung einen Überblick über den Deutschland-Index der Digitalisierung 2021, für den unter anderem Sekundärstatistiken, eine regionale repräsentative Bevölkerungsbefragung und gut 300 ausgewählte kommunale Webportale auswertet wurden. So liefere ÖFIT ein möglichst umfassendes Bild von den Entwicklungen der Digitalisierung in den verschiedenen Bundesländern und leite aus den umfassenden Analysen zukünftige Handlungsnotwendigkeiten für Politik und Verwaltung ab. Die Ergebnisse für die Bundesländer seien allerdings nicht als Benchmarking oder Ranking zu verstehen. Vielmehr helfe der Deutschland-Index datengestützt, landespezifische Stärken und Schwächen aufzudecken und könne so dazu dienen, voneinander zu lernen.
Dr. Markus Richter (BMI) wies in seiner Rolle als Beauftragter der Bundesregierung für Informationstechnik in seinem Impulsvortrag darauf hin, dass er den diesjährigen Schwerpunkt des Deutschland-Index auf dem Stand der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) sehr begrüßt habe. Der Deutschland-Index zeichne dabei ein deutliches Bild vom Zwischenstand auf dem Weg zum Ziel eines flächendeckenden Angebots von Online-Verwaltungsleistungen. Besonders erfreulich sei, dass der Index bereits erste Auswirkungen des OZG erkennen lasse. Nun könnten mit dem auch durch die Corona-Pandemie entstandenen Druck weitere Schritte unternommen werden, um die Verwaltungsdigitalisierung mit noch mehr Schub voranzutreiben.
Ein großer Meilenstein sei durch die Verabschiedung des Registermodernisierungsgesetzes bereits erreicht worden, welches das Leben der Bürger:innen und ihren Kontakt mit der Verwaltung zu erleichtern verspreche. Zudem hob er die Bedeutung des Nachnutzungs-Prinzips „Einer für Alle“ hervor. Entscheidend sei der Austausch sowohl zwischen den Ländern als auch zwischen den Kommunen, um gegenseitig voneinander zu lernen und erfolgreiche Konzepte auch andernorts zu etablieren. Dadurch könnten deutschlandweit Standards geschaffen werden, sodass ein Datenaustausch zwischen verschiedenen Kommunen und Behörden leichtfalle. Durch ein hohes Maß an Kompatibilität der Systeme und offene Schnittstellen würden in Deutschland Standortvorteile geschaffen, die insbesondere für die Förderung von Start-ups wesentlich seien.
Der Deutschland-Index der Digitalisierung 2021 kompakt
Im Anschluss wurden die Kernergebnisse aus dem Deutschland-Index der Digitalisierung 2021 vorgestellt. Gleich zu Beginn konstatierte Dr. Mike Weber, Deutschland sei insgesamt betrachtet digitaler geworden, was auch aus dem Anstieg des Indexwertes von 68,3 auf 70,2 hervorgehe. Dass dieser Anstieg angesichts der Corona-Pandemie nicht deutlich höher ausfiel, sei durch die verschiedenen Entwicklungen in den fünf untersuchten Themenfeldern zu erklären, die von den kurzfristigen Effekten der Pandemie teilweise unberührt blieben. Erfreulich sei, dass sich die digitalen Lebensverhältnisse deutschlandweit angleichen würden: Der Abstand zwischen den Ländern habe sich von knapp 50 Indexpunkten auf ca. 30 verringert.
Digitale Infrastruktur
Bei der digitalen Infrastruktur ließen sich deutliche Fortschritte beim Ausbau der Gigabit-Anschlüsse erkennen. Diese Dynamik würde in erster Linie durch die Modernisierung der Kabelnetze ermöglicht, der Ausbau der Glasfaser-Infrastruktur gehe demgegenüber nur schleppend voran. Beim »alten« Breitbandziel nähere man sich einer flächendeckenden Versorgbarkeit: Waren 2018 noch 87,8% der Haushalte mit einem Breitbandanschluss von 50 Mbit/s versorgt sind es Mitte 2020 schon 93,3%. Trotz der fehlenden knapp 7% der Haushalte, gäbe es Grund zur Zuversicht, denn gerade die bisher eher schlechter versorgten Länder könnten teilweise starke Zuwächse verzeichnen.
Wirtschaft und Forschung
Ein überproportionales Wachstum ließ sich bei den Beschäftigten im IT-Sektor beobachten, welches bei 13,2% lag und damit deutlich höher als das Beschäftigtenwachstum insgesamt (3,5%). Hier zeichne sich ab, dass die Personalgewinnung von Fachkräften immer größere Herausforderungen mit sich bringen könnte. Dem seien jedoch die wachsenden Auszubildenden- und Studierendenzahlen gegenüberzustellen.
Digitales Leben
Die Auswirkungen der Corona-Pandemie ließen sich an einigen Indikatoren des Themenfelds Digitales Leben ablesen: So werde Breitband-intensives Video-Streaming in allen Bundesländern intensiv genutzt und der Anteil der Online-Einkäufer:innen nehme im Vergleich zu den vorherigen Beobachtungszeiträumen leicht überdurchschnittlich zu. Bemerkenswert seien zudem die hohen Nutzungszahlen beim Homeoffice: So könnten in manchen Bundesländern bis zu 70% der Befragten zumindest gelegentlich von Zuhause aus arbeiten. Diese Entwicklungen ließen die Bedarfe erahnen, die sich für die digitale Infrastruktur in Zukunft ergeben könnten.
Bürgerservices
Auch aufgrund der Kontaktbeschränkungen in der Corona-Pandemie sei die Nachfrage nach digitalen Verwaltungsleistungen enorm gestiegen. So habe sich die Nutzung digitaler Formularübermittlungen von 2019 auf 2020 nahezu verdoppelt. Allerdings würden diese Angebote nicht alle Teile der Gesellschaft gleichermaßen erreichen, da die digitalen Leistungen eher von Personen mit hoher Technikaffinität, einer intensiven Internutzung und hoher formaler Bildung in Anspruch genommen würden.
OZG-Umsetzung in den Kommunen
Mit dem aktuellen Schwerpunkt auf der Umsetzung des OZG lag ein besonderes Augenmerk in dieser Ausgabe auf dem Angebot von digitalen Verwaltungsleistungen auf kommunaler Ebene. Hier sei festzustellen, dass vor allem einfache Leistungen gute Angebotswerte erreichen. So bieten über 70% der untersuchten Kommunen die digitale Beantragung eines polizeilichen Führungszeugnisses, aber lediglich 4% die weitaus komplexere Beantragung einer Baugenehmigung an. Insgesamt betrachtet steige das Angebot von Onlinedienstleitungen kontinuierlich, allerdings nur sehr langsam an. Neben dem Angebot sei auch der Zugang zu den Verwaltungsleistungen und die Benutzbarkeit der kommunalen Webportale für das Nutzer:innenerlebnis entscheidend. In diesen Bereichen seien seit der letzten Erhebung in nahezu allen Ländern Fortschritte erzielt worden. Erfreulich sei zudem die positive Bewertung der kommunalen Webportale durch die Bürger:innen, die in einer repräsentativen Umfrage zu Aspekten wie der Benutzbarkeit und der Auffindbarkeit von Leistungen befragt wurden. Aufgrund dieser aktuellen Offenheit von Bürger:innen sei daher momentan das Zeitfenster günstig, um nun zügig ein flächendeckendes Angebot zu realisieren.
Das Zeitfenster nutzen – aber wie?
In der anschließenden Podiumsdiskussion stand die Frage im Zentrum, wie Politik und Verwaltung dieses günstige Zeitfenster nutzen können, um zeitnah ein flächendeckendes Angebot digitaler Verwaltungsleistungen zu ermöglichen. Dabei wurden im Laufe der Diskussion verschiedene Aspekte wie das Einer-für-alle-Prinzip, die Bedeutung gut ausgebildeter Fachkräfte und eine moderne Verwaltungskultur diskutiert. Zum Nachhören gibt es hier die Podiumsdiskussion in ganzer Länge als mp3-Download.
Zu Beginn der Diskussion wies Christian Pfromm (CIO der Freien und Hansestadt Hamburg) darauf hin, dass das Niveau der Studienanfänger:innen im IT-Bereich zwar bisher gut gewesen sei, die Zuwächse aber deutlich größer werden müssen, um den Bedarf an fähigen Expert:innen auch in Zukunft zu decken. Generell müssten Informatikkenntnisse in fast allen Berufsausbildungen, gerade auch bei Verwaltungsstudiengängen, wesentlicher Bestandteil werden, da kaum ein Bereich ohne diese Kenntnisse auskomme.
Zudem appellierte Christian Pfromm im Hinblick auf das Einer-für-alle-Prinzip an die Länder, es sei die Offenheit und die Bereitschaft notwendig, digitale Lösungen anderer Länder aufzugreifen. Nur so könne es aus seiner Sicht gelingen, die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes in den nächsten zwei Jahren noch zu realisieren. Hamburg, das im Rahmen des OZG mit dem Themenfeld Unternehmensführung und Entwicklung betraut ist, hätte bereits fünf Anfragen zu ihren erstellten digitalen Dienstleistungen aus anderen Ländern erhalten. Dabei sei deutlich geworden, dass ein konstruktiver Umgang mit unterschiedlichen technischen Voraussetzungen und Anforderungen entscheidend sei. Hier müssten sowohl die entwickelnden als auch die adaptierenden Länder ihre Prozesse hinterfragen und so mutig sein, Anpassungen in Angriff zu nehmen.
Marc Groß (Programmbereichsleiter Organisations- und Informationsmanagement bei der KGSt) mahnte an, dass bis Ende 2022 noch einiges in den Kommunen zu tun sei. Dafür bräuchten sie mehr Klarheit, mehr Informationen sowie Übersichtlichkeit über Zugang, Finanzierung und Implementierung der durch andere Länder bereitgestellten digitalen Services. Es sei teilweise eine Orientierungslosigkeit bei den Kommunen zu spüren. Sie wünschten sich diesbezüglich zentrale Lösungen und standardisierte Verfahren, um nicht im Chaos unterschiedlicher Systeme zu versinken.
Dr. Annette Schmidt (Präsidentin FITKO) verwies auf die Angebote der Föderalen IT-Kooperation (FITKO), die sowohl in organisatorischer Hinsicht, z.B. bei der Vernetzung relevanter Akteure als auch in Bezug auf technische Komponenten, Hilfestellung auf den verschiedenen Verwaltungsebenen leiste. Dabei ginge es vor allem darum, die Standardisierung der eingesetzten Systeme voranzutreiben.
Prof. Dr. Peter Parycek forderte abschließend dazu auf, auch nach der kommenden Bundestagswahl zu einem gemeinsamen Verständnis zu gelangen, welches die Digitalisierung in allen sich stellenden Fragen mitdenke, in alle Politikbereiche integriere und in aktives Verwaltungshandeln übersetze. Entscheidend sei dafür insbesondere die Digitalisierungstauglichkeit von Gesetzen. Kurz um: Es brauche einen Kultur- und Bewusstseinswandel, der eindeutig in den Begrifflichkeiten und klar in den Zielen der Digitalisierung sei.